[ungesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Phantom (Diskussion | Beiträge)
Siehe auch.
Markierung: 2017-Quelltext-Bearbeitung
 
(87 dazwischenliegende Versionen von 46 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1:
[[Datei:House of Commons.jpg|mini|Der Plenarsaal des Britischen [[House of Commons|Unterhauses]] (ca. 1885) mit den Bänken der Regierungsfraktion (links) und der Opposition (rechts)]]
[[bild:Plenarsaal2.jpg|thumb|Hintere Sitzreihen im deutschen Bundestag]]
Als '''Hinterbänkler''' ({{EnS|backbencher}}) werden [[Abgeordneter|Abgeordnete]] bezeichnet, die innerhalb des [[Parlament]]s weniger herausgehobene oder keine Funktionen besitzen. Solche Abgeordneten sitzen auf den hinteren Bänken ({{EnS|benches}}), also in den hinteren Sitzreihen.
 
Der Begriff stammt aus dem [[House of Commons|Britischen Unterhaus]] und bezeichnet dort seit 1855 alle Abgeordneten, die keine besonderen Ämter in Parlament oder Regierung innehaben. Auf den jeweils vorderen Bänken sitzen sich die Regierungsmitglieder und das [[Schattenkabinett]] der Opposition gegenüber, die Vorderbänkler ({{EnS|frontbencher}}); jeweils dahinter, sitzen die übrigen, weniger einflussreichen Parlamentarier. Zusammen bilden sie das ''Backbench Business Committee''; bei den Tories das [[1922 Committee]].<ref>"[http://www.merriam-webster.com/dictionary/backbench Backbench]", Merriam-Webster Dictionary; accessed 30 September 2013.</ref>
Als '''Hinterbänkler''' ([[Englische Sprache|engl.]] ''backbencher'') werden [[Abgeordneter|Abgeordnete]] bezeichnet, die innerhalb des [[Parlament]]s weniger herausgehobene Funktionen besitzen. Solche Abgeordneten sitzen „auf den hinteren Bänken“, oder in den hinteren Reihen. Der Begriff wurde abgeleitet aus der Praxis des [[House of Commons (Großbritannien)|britischen Unterhauses]], das bis heute mit Bänken (engl. ''benches'') ausgestattet ist: Auf den jeweils ''vorderen Bänken'' sitzen sich dort die Regierungsmitglieder und Oppositionsführer gegenüber, die Vorderbänkler (engl. ''frontbencher''); jeweils dahinter, „auf den hinteren Bänken“ sitzen die übrigen, weniger bedeutenden Parlamentarier.
 
Im übertragenen Sinne hat der deutsche Begriff (anders als im Englischen) eine negative [[Konnotation]].<ref>[https://www.duden.de/rechtschreibung/Hinterbaenkler Bedeutungsübersicht] zum Begriff „Hinterbänkler“ im [[Duden]]: „(bildungssprachlich abwertend) Abgeordneter, der im Parlament nicht hervortritt, nicht viel Einfluss hat“</ref>
Die abfällige [[Konnotation]] des deutschen Begriffs (Hinterbänkler als vermeintlich faule Abgeordnete) übersieht häufig, dass das ''Hinterbänkler-Dasein'' nicht ausschließt, dass in diesen Reihen [[Politiker]] sitzen, die sich auf die Arbeit in [[Arbeitskreis]]en und [[Bundestagsausschuss|Bundestagsausschüssen]] konzentrieren, ohne Wert auf öffentliche Profilierung im [[Plenum]] zu legen.
 
== Situation in Deutschland ==
Im [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestag]] wird die [[Hierarchie]] zum Beispiel auch dadurch verdeutlicht, dass nur die Abgeordneten in den vorderen Sitzreihen eigene Tische, unter anderem mit Telefon, an ihren Plätzen im [[Plenarsaal]] haben. Dort sitzen stets die Vorsitzenden der [[Fraktion (Bundestag)|Fraktionen]]. Jedoch hat jeder ''Hinterbänkler'' selbstverständlich die gleichen Rechte wie alle anderen Abgeordneten auch.
Der abfällige Beiklang des Begriffs „Hinterbänkler“ für Abgeordnete ohne Funktion (Fraktionsvorsitzender, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, parlamentarischer Fraktionsgeschäftsführer, Ausschussvorsitzender, Fachsprecher, Parlamentspräsident, stellvertretender Parlamentspräsident, Schriftführer im Präsidium eines Parlaments, parlamentarischer Staatssekretär) übersieht häufig, dass die Hauptarbeit eines Parlamentariers nicht bei [[Plenum#Im Parlamentarismus|Plenardebatten]] geleistet wird, sondern bei der Sacharbeit in den Gremien, die teilweise nicht öffentlich tagen und deswegen im Regelfall keine öffentliche Aufmerksamkeit erzielen.
 
Im ''Wörterbuch zur Politik'', das unter der Leitung des [[Politikwissenschaft]]ler [[Manfred G. Schmidt (Politikwissenschaftler)|Manfred G. Schmidt]] herausgegeben wurde, findet sich in der Ausgabe von 1995 folgende [[Deskription|deskriptive]] Definition: „Hinterbänkler (von engl. backbench = hintere Sitzreihe im Unterhaus, backbencher = H.), ein weniger bedeutendes Mitglied des Unterhauses, meist spöttisch oder abwertend gebrauchte Bezeichnung für einen weniger wichtigen Abgeordneten eines Parlaments.“ Der Politikwissenschaftler [[Heinrich Oberreuter]] definierte in einem Handbuchartikel noch im Jahr 1970 hingegen den Typus des „Hinterbänklers“ mit folgender Wertung:
Allerdings ist zu beachten, dass die [[Mitglied des Deutschen Bundestages|Mitglieder des Deutschen Bundestages]] im Gegensatz zu denen mancher anderen Parlamente keine festen Plätze im Plenarsaal haben. Im Grunde genommen kann ein Abgeordneter also seinen Sitzplatz (innerhalb der Plätze seiner Fraktion) frei wählen: bei [[Debatte]]n über sehr komplexe Themen, an denen nur wenige, mit der Thematik vertraute Abgeordnete teilnehmen, sitzen diese selbstverständlich in den vorderen Reihen, bei Grundsatzdebatten mit großer [[Öffentlichkeit]]swirkung nehmen dort hingegen prominente Politiker wie beispielsweise die [[Fraktionsvorsitzender|Fraktionsvorsitzenden]] Platz. Insofern ist der Begriff ''Hinterbänkler'' im Zusammenhang mit dem Deutschen Bundestag nur im übertragenen Sinne zu verwenden.
 
{{Zitat|[…] Es empfiehlt sich also, nur solche Abgeordnete als Hinterbänkler zu bezeichnen, die in der Regel keinen positiven Beitrag zur Willensbildung der Fraktion oder des Parlaments leisten, keine oder allenfalls bescheidene Aufgaben in der Parlamentsarbeit übernehmen und höchstens zu untergeordneten und meist lokalen Fragen Stellung nehmen. […] Die Position des Hinterbänklers ist nicht systembedingt, sie wird freiwillig bezogen. Sie resultiert aus einer eingeengten Auffassung von den Aufgaben und Pflichten eines Mandats.}}
Inzwischen wird der Begriff ''Hinterbänkler'' auch übertragen auf Sportler, [[Manager (Kunst und Sport)|Manager]] oder Vereinsmitglieder, die nicht im [[Rampenlicht]] stehen, sondern im Hintergrund wirken.
 
Oberreuter verkannte dabei, dass es grundsätzlich weniger zu besetzende Funktionen in einem Parlament gibt als Abgeordnete und zugleich die Ansprüche an Funktionen gebunden sind an die jeweilige Stärke einer Fraktion; eine große Fraktion hat logischerweise mehr „Hinterbänkler“ als eine kleine Fraktion, wenn zugleich die parlamentarischen Gepflogenheiten besagen, dass beispielsweise jede im Parlament vertretene Fraktion jeweils einen Vizepräsidenten stellt. Insofern ist die Position eines „Hinterbänklers“ selten freiwillig gewählt, sondern ergibt sich aus dem Wahlergebnis und der Geschäftsordnung eines Parlaments. „Hinterbänkler“ sind häufig Fachleute für bestimmte Themen, die sich auf die Arbeit in den [[Arbeitskreis]]en ihrer Fraktion und zusätzlich den Fachausschüssen ihrer jeweiligen Partei sowie in den [[Parlamentsausschuss|Parlamentsausschüssen]] konzentrieren und deswegen zu unrecht als „unwichtig“ angesehen werden.
== Siehe auch ==
* [[Jakob M. Mierscheid]]
 
=== Deutscher Bundestag ===
[[Kategorie:Politische Person]]
Im [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestag]] wird die [[Hierarchie]] zumim Beispiel auch[[Plenarsaal]] dadurch verdeutlicht, dass nur die Abgeordneten in den vorderen Sitzreihen eigene Tische, unter anderem mit TelefonTelefonen, an ihren Plätzen im [[Plenarsaal]] haben. Dort sitzen stets die Vorsitzenden derDie [[Fraktion (Bundestag)|FraktionenFraktionsvorsitzenden]] sitzen stets dort. JedochDie hat„Hinterbänkler“ jederverfügen ''Hinterbänkler''jedoch selbstverständlichüber diedieselben gleichenPflichten und Rechte wie alle anderen Abgeordneten auch.
[[Kategorie:Abgeordneter]]
 
AllerdingsSeit ist1986 zugibt beachten,es dass die [[Mitglied desim Deutschen Bundestages|Mitglieder des Deutschen Bundestages]]Bundestag, im Gegensatz zu denen mancher anderen ParlamenteParlamenten, keine festen Plätze mehr im Plenarsaal haben. ImVor Grundedem genommenUmzug kannins [[Bonner Wasserwerk]] in diesem Jahr hatten jedoch auch die einhinteren Plätze Tische. Ein Abgeordneter kann also seinen Sitzplatz (innerhalb derdes PlätzeSitzplatzsegments seiner Fraktion) frei wählen: beiBei [[Debatte]]n über sehr komplexe Themen, an denen nur wenige,die mitSpezialisten der Thematikjeweiligen vertraute AbgeordneteFraktionen teilnehmen, sitzen diese selbstverständlichdann auch in den vorderen Reihen, bei Grundsatzdebatten mit großer [[Öffentlichkeit]]swirkung nehmen dort hingegen prominente Politiker wie beispielsweise die [[Fraktionsvorsitzender|Fraktionsvorsitzenden]] Platz. Insofern ist der Begriff ''Hinterbänkler''des „Hinterbänklers“ im Zusammenhang mit dem Deutschen Bundestag nur im übertragenen Sinne zu verwenden.
[[en:Backbencher]]
 
[[nl:Backbencher]]
Zeitweilig zählten in den 1980er Jahren mehr als 100 Abgeordnete des rechten Flügels der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]-Fraktion (die im Partei[[jargon]] als „[[Kanalarbeiter (SPD)|Kanalarbeiter]]“ bezeichnet wurden) zu den „Hinterbänklern“.<ref>Walter Henkels: ''Lokaltermin in Bonn.'' Pabel-Moewig Verlag, Rastatt 1987, ISBN 3-8118-4859-3, S. 147.</ref>
 
Unter dem Titel „Hinterbänkler sind die Topverdiener im Bundestag“ wurde im Sommer 2015 berichtet, dass fast alle derzeitigen Spitzenreiter bei den deklarierungspflichtigen [[Mitglied des Deutschen Bundestages#Lobbyismus und Nebentätigkeiten|Nebeneinkünften]] der Riege der „Hinterbänkler“ zuzurechnen seien.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.welt.de/politik/deutschland/article144837066/Hinterbaenkler-sind-die-Topverdiener-im-Bundestag.html |titel=Hinterbänkler sind die Topverdiener im Bundestag |zugriff=2016-01-26 |autor=Thomas Vitzthum |datum=2015-08-05 |hrsg=[[Welt.de]]}}</ref>
 
=== Hamburgische Bürgerschaft ===
In der 18. Wahlperiode der [[Hamburgische Bürgerschaft|Hamburgischen Bürgerschaft]] erreichte die [[CDU Hamburg|CDU]]-Fraktion bei der [[Bürgerschaftswahl in Hamburg 2004|Wahl 2004]] mit 63 Mandaten ihre bislang größte Stärke. Dabei zogen 32 Abgeordnete erstmals ins Landesparlament ein. Da die Anzahl an möglichen Funktionen innerhalb des Parlaments nicht proportional mit der Stärke einer Fraktion wächst (siehe oben), bestand die CDU-Fraktion in dieser Wahlperiode mehrheitlich aus „Hinterbänklern“. Zwei Abgeordnete, [[Dietrich Hoth]] und [[Herbert Winter (Politiker)|Herbert Winter]], konnten aufgrund dieser Situation während der gesamten Wahlperiode nicht eine einzige Rede im Plenum halten.<ref>[https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/ Parlamentsdatenbank der Hamburgischen Bürgerschaft] Recherche nach Hoth und Winter in allen Plenarprotokollen der 18. Wahlperiode. Abgerufen am 26. Januar 2016.</ref> In der Hamburgischen Bürgerschaft existieren feste Sitzplätze für alle Abgeordneten. Allerdings regeln die jeweiligen Fraktionen ihre Sitzordnungen eigenverantwortlich; wollen sich zwei Abgeordnete einvernehmlich umsetzen, kann so ein „Hinterbänkler“ einen vorderen Sitzplatz erhalten und umgekehrt.<ref>[http://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/portal/page/bshaprod.psml?nid=0&showdoccase=1&doc.id=jlr-B%C3%BCrgGOHA2015rahmen&st=lr Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft] in der Fassung vom 2. März 2015 (Amtlicher Anzeiger 2015, S. 613)</ref>
 
== Situation in der Schweiz ==
Im Gegensatz dazu sitzen im [[Nationalrat (Schweiz)|Schweizer Nationalrat]] gerade die bedeutenden Politiker in den hinteren Reihen, damit sie das Geschehen im Saal besser überblicken und einen möglichst kurzen Weg von der [[Bundeshaus (Bern)#Wandelhalle|Wandelhalle]] zu ihrem Sitzplatz haben.<ref>Schweizer Nationalrat: {{Webarchiv | url=http://sc.tagesanzeiger.ch/dyn/news/schweiz/814514.html | wayback=20100523164719 | text=''Alle Nationalräte wären gern Hinterbänkler.''}} auf: ''tagesanzeiger.ch'', 18. November 2007.</ref>
 
== Siehe auch ==
* [[Jakob Maria Mierscheid]], fiktiver Archetyp eines Hinterbänklers
 
== Literatur ==
* Andreas K. Gruber: ''Der Weg nach ganz oben. Karriereverläufe deutscher Spitzenpolitiker.'' Verlag für Sozialwissenschaften, Neuwied 2009, ISBN 978-3-531-16299-7, S. 178.
* Heinrich Oberreuter: ''Hinterbänkler.'' In: Hans-Helmuth Röhring, [[Kurt Sontheimer]] (Hrsg.): ''Handbuch des deutschen Parlamentarismus.'' Piper, München 1970, ISBN 3-492-01849-1, S. 194–197.
* [[Manfred G. Schmidt (Politikwissenschaftler)|Manfred G. Schmidt]]: ''[[Wörterbuch zur Politik]]'' (= ''[[Kröners Taschenausgabe]].'' Band 404). Kröner, Stuttgart 1995, ISBN 3-520-40401-X, S. 402.
 
== Weblinks ==
{{Wiktionary|}}
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
{{Normdaten|TYP=s|GND=4159909-3}}
 
{{SORTIERUNG:Hinterbankler}}
[[Kategorie:Parlamentswesen|!Hinterbankler]]