„Reinhard Heydrich“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Bundesarchiv Bild 146-1969-054-16, Reinhard Heydrich.jpg|mini|Reinhard Heydrich (1940)]]
'''Reinhard Tristan Eugen Heydrich''' (* [[7. März]] [[1904]] in [[Halle (Saale)|Halle an der Saale]], heute: Halle (Saale); † [[4. Juni]] [[1942]] in [[Prag]]) war ein deutscher [[SS-Obergruppenführer]] und [[Polizeigeneral|General der Polizei]], der während der [[Zeit des Nationalsozialismus]] als Leiter des [[Reichssicherheitshauptamt]]s (RSHA) und [[Reichsprotektor in Böhmen und Mähren|Stellvertretender Reichsprotektor in Böhmen und Mähren]]<ref>[[Ian Kershaw]]: ''Hitler. 1936–1945''. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2000, ISBN 3-421-05132-1, S.&nbsp;640; es heißt dort ''in'' (nicht: ''von'') Böhmen und Mähren; siehe auch [[Institut für Zeitgeschichte]] (IfZ): {{Webarchiv |url=http://www.ifz-muenchen.de/archiv/ed_0450.pdf |text=''Bestand Heydrich, Reinhard und Lina'' |wayback=20110919090100}} (PDF; 57&nbsp;kB), in: IfZ-Archiv, Signatur ED 450, dort S.&nbsp;2 (abgerufen am 26. Mai 2019).</ref> für zahlreiche [[Kriegsverbrechen]] und [[Verbrechen gegen die Menschlichkeit]] verantwortlich war. 1941 wurde er von [[Hermann Göring]] mit der „[[Endlösung der Judenfrage]]“ beauftragt und war ab dieser Zeit einer der Hauptorganisatoren des [[Holocaust]]s. In dieser Funktion leitete er am 20. Januar 1942 in [[Berlin]] die [[Wannseekonferenz]], auf der die Vernichtung der im deutschen Machtbereich lebenden Juden abgesprochen und koordiniert wurde.
 
'''Reinhard Tristan Eugen Heydrich''' (* [[7. März]] [[1904]] in [[Halle (Saale)|Halle an der Saale]]; † [[4. Juni]] [[1942]] in [[Prag]]) war ein deutscher [[SS-Obergruppenführer]] und [[Polizeigeneral|General der Polizei]].
Heydrich wurde am 27. Mai 1942 in Prag bei einem [[Operation Anthropoid|Attentat durch tschechoslowakische Widerstandskämpfer]] schwer verletzt und starb acht Tage später. Daraufhin verübte das NS-Regime Racheakte wie die [[Lidice#Massaker und Zerstörung 1942|Massaker von Lidice]] und [[Ležáky#Geschichte|Ležáky]].
'''ReinhardEr Tristanwar Eugenwährend Heydrich''' (*der [[7.Zeit März]]des [[1904Nationalsozialismus]] invom [[Halle27.&nbsp;September (Saale)|Halle1939 anbis derzu Saale]],seinem heute:Tod Halleam (Saale); † [[4. &nbsp;Juni]] [[1942]] in [[Prag]]) war ein deutscher [[SS-Obergruppenführer]] und [[Polizeigeneral|General der Polizei]], der während der [[Zeit des Nationalsozialismus]] als Leiter des [[Reichssicherheitshauptamt]]s (RSHA) und ab dem 29.&nbsp;September 1941 als [[Reichsprotektor in Böhmen und Mähren|Stellvertretenderstellvertretender Reichsprotektor in Böhmen und Mähren]]<ref>[[Ian Kershaw]]: ''Hitler. 1936–1945''. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2000, ISBN 3-421-05132-1, S.&nbsp;640; es heißt dort ''in'' (nicht: ''von'') Böhmen und Mähren; siehe auch [[Institut für Zeitgeschichte]] (IfZ): {{Webarchiv |url=http://www.ifz-muenchen.de/archiv/ed_0450.pdf |text=''Bestand Heydrich, Reinhard und Lina'' |wayback=20110919090100}} (PDF; 57&nbsp;kB), in: IfZ-Archiv, Signatur ED 450, dort S.&nbsp;2 (abgerufen am 26. Mai 2019).</ref> für zahlreiche [[Kriegsverbrechen]] und [[Verbrechen gegen die Menschlichkeit]] verantwortlich war. 1941 wurde er von [[Hermann Göring]] mit der „[[Endlösung der Judenfrage]]“ beauftragt und war ab dieser Zeit einer der Hauptorganisatoren des [[Holocaust]]s. In dieser Funktion leitete er am 20. Januar 1942 in [[Berlin]] die [[Wannseekonferenz]], auf der die Vernichtung der im deutschen Machtbereich lebenden Juden abgesprochen und koordiniert wurde.
Er wurde am 31.&nbsp;Juli 1941 von [[Hermann Göring]] mit der „[[Endlösung der Judenfrage]]“ beauftragt und war bis zu seinem Tod einer der Hauptorganisatoren des [[Holocaust]]s. In dieser Funktion leitete er am 20.&nbsp;Januar 1942 in [[Berlin]] die [[Wannseekonferenz]], auf der die Vernichtung der im deutschen Machtbereich lebenden Juden besprochen und koordiniert wurde.
 
Heydrich wurde am 27. Mai 1942 in Prag bei einem [[Operation Anthropoid|Attentat durch tschechoslowakischetschechoslowakischer Widerstandskämpfer]] schwer verletzt und starb acht Tage später. Daraufhin verübte das NS-Regime Racheakte wie die [[Lidice#Massaker und Zerstörung 1942|Massaker von Lidice]] und [[Ležáky#Geschichte|Ležáky]].
 
== Leben ==
=== Kindheit und Jugend ===
Heydrichs Mutter Elisabeth Krantz (1871–1946) stammte aus einer wohlhabenden Familie und war die Tochter des Leiters des [[Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden|Königlichen Konservatoriums in Dresden]], [[Eugen Krantz]]. Sein Vater [[Bruno Heydrich]] (1865–1938) kam aus ärmlicheneinfachen Verhältnissen, brachte es aber nach einer durch ein Stipendium finanzierten Ausbildung in Komposition und Gesang am Königlichen Konservatorium in Dresden zu einem anerkannten [[Komponist]]en und [[Opernsänger]].<ref>[[Robert Gerwarth]]: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 34 f.</ref> Die Ehe der Eltern war [[Interkonfessionelle Ehe|interkonfessionell]], die Mutter [[römisch-katholisch]] und der Vater [[protestant]]isch. Die drei Kinder Reinhard, [[Heinz Heydrich|Heinz]] und Maria wurden katholisch erzogen.
 
1899 gründete Bruno Heydrich in [[Halle (Saale)|Halle an der Saale]] eine [[Musikschule]] für Kinder der Mittelklasse,. dieDie Musikschule wurde bereits 1901 zu einem Konservatorium ausgebaut wurde, das 1904 elf Lehrer, vier Hilfskräfte und eine Sekretärin fest angestellt hatte, so dass sich die Familie Heydrich zwei Dienstmädchen und einen Butler leisten konnte, schnell Zugang zu den gehobenen Kreisen der Stadt fandhatte und unter anderem zum Bürgermeister und Herausgeber der Lokalzeitung freundschaftliche Kontakte pflegte.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 38 f.</ref>
Gerüchten, er sei [[Jude|jüdischer]] Herkunft, trat Bruno Heydrich 1916 erfolgreich mit einer [[Verleumdung (Deutschland)|Verleumdungsklage]] entgegen, da er fürchtete, sie könnten im politischen Klima der von [[Geschichte des Antisemitismus bis 1945#Vordringen in Publizistik und Parteipolitik (1884–1893)|Antisemitismus]] geprägten [[Wilhelminismus|wilhelminischen Ära]] „geschäftsschädigend“ wirken.<ref name="Robert Gerwarth 2011">Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 45 f.</ref>
 
Reinhard Heydrich wurde streng erzogen und besuchte auf Wunsch des Vaters das nicht-konfessionelle [[Hans-Dietrich-Genscher-Gymnasium|Reformgymnasium]], an dem ein Schwerpunkt auf das Erlernen moderner Fremdsprachen und Technik gelegt wurde. Besonders im letzteren Bereich (speziell im Fach Chemie<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 52.</ref>) zeigte Heydrich überdurchschnittliche Leistungen.
Abseits der Schule erlernte Heydrich als Kind zweiereines MusikerMusikers mehrere Instrumente. Vor allem beim Violinspiel zeigte er einiges Talent und beherrschte es bald auf einem nennenswerten Niveau. Seine Leidenschaft für dieses Instrument blieb auch im Erwachsenenalter ungebrochen. Die Ambition des Vaters, seinen Sohn zu einem professionellen Sänger auszubilden, wurde durch den dünnen, gebrechlichen Charakter von Reinhards [[Fistelstimme]] zunichtegemacht, was sich auch während der Jugendjahre nicht auswuchs. undEr zuwurde Hänseleien dervon MitschülerMitschülern führtegehänselt.
 
Politisch und weltanschaulich wurde er früh durch einen extremen [[Nationalismus]] geprägt, der in der Familie vorherrschte. Die Niederlage des Deutschen Reiches im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] und die Abdankung von Kaiser [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm&nbsp;II.]] wurden von seiner Familie als Katastrophe empfunden. Wie auch viele weitere Schüler seines [[Realgymnasium]]s schloss Reinhard Heydrich sich 1919, nachdem er Zeuge von Kämpfen nahe seinem Elternhaus in seiner Heimatstadt geworden war, einer „freiwilligen Einwohnerwehr“ des [[Freikorps]] von [[Georg Ludwig Rudolf Maercker|Georg Maercker]] an, in der er als Melder Dienst tat, ohne selbst an Kampfhandlungen teilzunehmen.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 48.</ref>
1920 wurde er Mitglied der Jugendgruppe der halleschen Ortsgruppe des [[Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund|Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes]] (DVSTB), der nach der Ermordung von Außenminister [[Walther Rathenau|Rathenau]] 1922 verboten wurde.<ref>Uwe Lohalm: ''Völkischer Radikalismus: Die Geschichte des Deutschvölkischen Schutz- und Trutz-Bundes. 1919–1923''. Leibniz-Verlag, Hamburg 1970, ISBN 3-87473-000-X, S.&nbsp;444; Robert Gerwarth, ''Heydrich,'' S.&nbsp;50, hält es für möglich, dass Heydrich diese Mitgliedschaft nach 1933 erfunden hat, um „seine frühe Zugehörigkeit zur politischen Rechten zu ‚beweisen‘“, nachweisen lässt sich jedoch lediglich, dass er Kontakt zur politischen Rechten hatte, nicht jedoch, wie intensiv dieser Kontakt war.</ref>
 
=== Eintritt in die Marine, Verlobung und Entlassung ===
[[Datei:Bundesarchiv Bild 146-1972-039-24, Reinhard Heydrich mit Frau.jpg|mini|Lina und Reinhard Heydrich besuchen ein Konzert im Prager [[Waldsteinpalast]] anlässlich der Prager-Musikwoche, einen Tag vor dem tödlichen Attentat auf ihn (26. &nbsp;Mai 1942)]]
 
Am 30. März 1922 trat Heydrich als [[Seekadett]] in die [[Reichsmarine]] ein. 1926 erhielt er sein Offizierspatent als Leutnant zur See, durchlief eine Spezialausbildung zum technischen Nachrichtenoffizier im Funkwesen und diente in dieser Funktion bis 1928 auf dem [[Linienschiff]] ''[[SMS Schleswig-Holstein (Schiff, 1908)|Schleswig-Holstein]]''. Am 1. &nbsp;Juli 1928 wurde er zum [[Oberleutnant zur See]] befördert und in die Admiralstabsabteilung der [[Marinestation der Ostsee]] in Kiel versetzt.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie.'' Siedler, München 2011, S. 52–59, besonders S. 58f.</ref>
 
Zu Beginn seiner Ausbildung in der Marine galt Heydrich als Sonderling.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie.'' Siedler, München 2011, S. 55.</ref> In dieser Zeit machte er „einen seltsam unpolitischen Eindruck“ und galt – im außerordentlich konservativen Offiziersmilieu der Marine negativ angesehen – als „[[Freisinn]]iger“.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie.'' Siedler, München 2011, S. 56.</ref> Heydrich lernte [[Wilhelm Canaris]], den späteren Chef der deutschen [[Abwehr (Nachrichtendienst)|Abwehr]], lernte er 1923 während seiner Dienstzeit auf dem Kreuzer ''[[SMS Berlin (Schiff, 1905)|Berlin]]'' kennen und befreundete sich mit ihm.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie.'' Siedler, München 2011, S. 57.</ref> Während seiner Marinezeit betrieb der ehrgeizige Heydrich intensiv Sport: Segeln, Schwimmen, Fechten; viel Zeit wandte er fürs Musizieren auf.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie.'' Siedler, München 2011, S. 57–58.</ref>
 
Im Dezember 1930 lernte Heydrich seine spätere Ehefrau, die 19-jährige [[Lina Heydrich|Lina Mathilde von Osten]] (1911–1985), kennen. Zwei Wochen später verlobten sich die beiden heimlich. Wenige Tage später hielt Heydrich bei ihrem Vater, Jürgen von Osten, in einem Brief um sie an.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie.'' Siedler, München 2011, S. 61.</ref> Lina kam aus einer politisch rechtsextrem geprägten Familie. Ihr Bruder Hans von Osten gehörte ab 1928 der SA an, sie selbst war, schon als sie Reinhard Heydrich kennenlernte, „überzeugte Nationalsozialistin und glühende Antisemitin“.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 61, 62.</ref>
 
Heydrich hatte jedoch zur Zeit der Verlobung mit Lina von Osten aber eine Beziehung zu einer anderen Frau, deren Identität bis heute nicht geklärt ist.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie.'' Siedler, München 2011, S. 64; mit weiteren Nachweisen in Anmerkung 124 zu Kapitel&nbsp;II, S.&nbsp;368.</ref> Diese BeziehungEr beendete erdiese Beziehung durch Zusendung der Anzeige seiner Verlobung. Der Vater der betroffenen Frau reichte beim Chef der Marineleitung, [[Admiral]] [[Erich Raeder]], Beschwerde gegen Heydrich ein. Ein gebrochenes Heiratsversprechen galt als ehrenrührig, war aber kein schweres Vergehen und hätte ohne Strafe durch den Ehrenrat der Marine enden können.
Die Angehörigen des Ehrenrats – Admiral [[Gustav Hansen (Admiral)|Gustav Hansen]], Heydrichs Ausbilder [[Gustav Kleikamp]] und [[Hubert von Wangenheim]] – wurden jedoch durch Heydrichs arrogantes Auftreten, der schlecht über die Frau sprach, sie belastete und bestritt, ihr die Ehe versprochen zu haben, dazu gebracht, kein Urteil zu fällen und das Verfahren in die alleinige Entscheidung Raeders zu legen. Raeder entschied, ebenfalls aufgrundwegen Heydrichs offensichtlicher Unaufrichtigkeit im Verfahren und seiner Versuche, sich durch Belastung der Frau reinzuwaschen, dass Heydrich als Offizier „unwürdig“ und seine Entlassung zu verfügen sei,. dieDie Entlassung wurde am 30. &nbsp;April 1931 wirksam wurde.<ref>Für den gesamten Absatz: Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie.'' Siedler, München 2011, S. 64–65.</ref>
 
Für Heydrich war die unerwartete Entlassung eine vollständige Katastrophe, die ihn bis ins Mark erschütterte. Seine Lebensplanung war damit hinfällig. Einer beim [[Reichspräsident]]en eingereichten Bitte um Aufhebung der Entlassung gnadenhalber wurde nicht entsprochen,; Heydrich „schloss sich in seinem Zimmer ein und weinte tagelang vor Wut und Selbstmitleid“. Inmitten der [[Weltwirtschaftskrise]] war Heydrich nun – abgefedert durch ein Übergangsgeld von 200 &nbsp;[[Reichsmark]] monatlich – weitgehend auf sich gestellt. Unterstützung durch die Eltern blieb aus, da Bruno Heydrich nach einem [[Schlaganfall]] im Frühjahr 1931 nicht mehr in der Lage war, die Geschäfte zu führen, und den Unterricht Frau und Tochter überließ.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie.'' Siedler, München 2011, S. 66.</ref>
 
=== Begegnung mit Heinrich Himmler und Aufstieg im parteiinternen SD ===
Am 1. Juni 1931 trat Heydrich – nachdem er lange gegenüber der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] indifferent geblieben war – unter dem Einfluss Lina von Ostens und ihrer Familie<ref name="Gerwarth-68">Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie.'' Siedler, München 2011, S. 68.</ref> in die NSDAP ([[Liste von NSDAP-Parteimitgliedsnummern|Mitgliedsnummer]] 544.916) und einen Monat später, am 14. &nbsp;Juli, als [[SS-Untersturmführer]] in die [[Schutzstaffel]] (SS-Nr. 10.120) ein.<ref>Mario R. Dederichs: ''Heydrich – Die Macht des Bösen.'' Stern Nr. 43, Hamburg 2002.</ref>
Sein früher Eintritt trug dazu bei, dass er später das [[Goldenes Parteiabzeichen der NSDAP|Goldene Parteiabzeichen]] erhielt.<ref>Shlomo Aronson: ''Reinhard Heydrich und die Frühgeschichte von Gestapo und SD.'' DVA, Stuttgart 1971.</ref> Sein Eintritt in Partei und SS war wohl weniger ideologisch motiviert als durch den Wunsch, „zu einem strukturierten Leben in Uniform zurückzufinden“.<ref name="Gerwarth-68" />
 
In den frühen 1930er Jahren baute [[Heinrich Himmler]] die SS systematisch aus. Hauptsächlich zur Überwachung und Ausschaltung politischer Gegner benötigte die NSDAP und die wachsende SS selbst einen effizienten Nachrichtendienst. Über einen verwandten Jugendfreund, den Münchner [[Sturmabteilung|SA]]-Führer und SA-Brigadeführer „Oberbayern“ [[Friedrich Karl von Eberstein]] (dessen Mutter war Heydrichs Patentante), wurde Heydrich im August 1931 Himmler vorgestellt. Der Empfehlung lag die fehlerhafte Bewertung, dass Heydrich aus seiner Marinezeit über nachrichtendienstliche Erfahrungen verfüge, zugrunde. Aus dem Zusammentreffen wurde der Beginn eines engen Arbeitsverhältnisses. Heydrich skizzierte im Nachhinein seine Vorstellungen vom Aufbau eines Nachrichtendienstes.
Himmler war beeindruckt und beauftragte ihn mit dem Aufbau der Organisation, die später den Namen [[Sicherheitsdienst des Reichsführers SS|„Sicherheitsdienst“ (SD)]] erhielt. Allerdings räumte Himmler später intern ein, dass die Heranziehung Heydrichs ursprünglich auf dem genannten „Irrtum“ basierte: Das, was heute als Fernmeldetruppe bezeichnet wird, wurde ab 1917 als [[Nachrichtentruppe von Wehrmacht und Waffen-SS|Nachrichtentruppe]] bezeichnet, und Heydrich war als „technischer Nachrichtenoffizier“ tatsächlich zum Funkoffizier ausgebildet worden. Mit nachrichtendienstlicher Tätigkeit im Sinne von geheimdienstlicher Aktivität hatte er jedoch nichts zu tun gehabt.<ref>Michael Wildt: ''Generation des Unbedingten.'' Hamburg 2002, S. 241.</ref>
Gleichwohl wusste er offenbar Himmler – der von Geheimdienstarbeit auch nichts verstand – zu überzeugen. Das für den übergebenen Auftrag notwendige Wissen eignete sich Heydrich dann vorrangig durch das Studium von drei Publikationen aus der Feder des früheren Chefs des militärischen Nachrichtendienstes III &nbsp;b [[Walter Nicolai (Offizier)|Walter Nicolai]] über die Jahre bis zum Zusammenbruch des deutschen Kaiserreiches 1918 an.<ref> Vgl. Walter Nicolai, ''Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg.'' S.Mittler Verlag Berlin, 1920; ''Geheime Mächte. Internationale Spionage und ihre Bekämpfung im Weltkrieg und Heute.'' Verlag K.F. Köhler, Leipzig 1923; ''Einblicke in den Nachrichtendienst während des Weltkriegs.'', in Walter Jost, Friedrich Felger (Hrsg.): ''Was wir vom Weltkrieg nicht wissen.'' Wilhelm Andermann Verlag Berlin/Leipzig 1929,
</ref>
 
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=== Heydrich und die Ausformung des Dritten Reiches ===
==== Griff der SS nach der Polizeigewalt in Bayern ====
Die [[Machtergreifung]] der NSDAP bedeutete für die SA und SS einen legalen Zugang zur Macht. Unmittelbar darauf wurde Himmler zum Polizeipräsidenten von München ernannt und ernannte seinerseits Heydrich anstelle des republikanischen Beamten [[Wilhelm Frank (Polizist)|Wilhelm Frank]] zum Leiter der Abteilung VI der Münchener Polizeidirektion, die mit der Überwachung von politischen Vorgängen und der Verfolgung politischer Delikte befasst war.
Im Zuge der einige Wochen später erfolgenden Umformung der Abteilung &nbsp;VI in die neugegründete [[Bayerische Politische Polizei]] (BPP) wurde Heydrich zum stellvertretenden Chef und De-facto-Leiter dieser neuen Behörde ernannt (Himmler wurde nominell Chef der BPP, überließ die tatsächliche Führung derselben aufgrund seiner zahlreichen anderen Ämter aber größtenteils Heydrich).<ref>siehe auch Dokumentation: [https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1962_1_6_mommsen.pdf#page=3 ''Der nationalsozialistische Polizeistaat und die Judenverfolgung vor 1938''] (PDF; 1,0&nbsp;MB). In: [[VzZ]] Jahrgang 10 (1962), S. 68–87, Fußnote 11.</ref>
 
Unter den Kriminalbeamten der Abteilung VI der Münchener Polizeidirektion rekrutierte Heydrich zahlreiche Männer, zunächst als seine engsten Mitarbeiter zur Führung der Bayerischen Politischen Polizei und dann (ab 1934) zur Leitung des Geheimen Staatspolizeiamtes als Kommandozentrale des nationalsozialistischen Polizeiapparates. Die Gruppe um [[Heinrich Müller (Gestapo)|Heinrich Müller]], [[Reinhard Flesch]], [[Josef Meisinger]], [[Jakob Beck (Polizeibeamter)|Jakob Beck]] und [[Franz Josef Huber (SS-Mitglied)|Franz Josef Huber]] wurde ''Bajuwaren-Brigade'' genannt; ironischerweise waren die meisten von ihnen vor 1933 auch mit der polizeilichen Überwachung und Bekämpfung der Nationalsozialisten befasst gewesen, so dass sie von der Politischen Organisation der NSDAP beargwöhnt wurden.
Für Heydrich waren diese „umgedrehten Berufskriminalisten“ (Heinz Höhne) jedoch trotz ihrer Vergangenheit als NS-Bekämpfer aufgrund ihres fachlichen Expertentums unentbehrlich, zumal sie ihm gegenüber unbedingt loyal eingestellt waren, da er sie 1933 (und später) gegen die Nachstellungen der Politischen Organisation der NSDAP abschirmte und ihre materielle Existenz rettete, indem er sie vor der Entlassung aus dem Staatsdienst und dem Pensionsverlust bewahrte.<ref>[[Heinz Höhne]]: ''Mordsache Röhm: Hitlers Durchbruch zur Alleinherrschaft'', 1933–1934, 1984, S. 138 und 278 (hier auch die zitierte Formulierung); Aronson: Heydrich, 1967, S. 132 und 145.</Refref>
 
Das [[Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich|Ermächtigungsgesetz]] ermöglichte die Zerschlagung der [[Opposition (Politik)|Opposition]]. Das [[Feindbild]] Heydrichs umfasste Juden, [[Religionen in Deutschland#Christentum|christliche Kirchen]], [[Freimaurer]] und [[Zigeuner]] bis hin zu „[[Asoziale (Nationalsozialismus)|Asozialen]]“.
 
Ein frühes Ziel der Verfolgungsaktionen 1933 in Bayern war der Literaturnobelpreisträger [[Thomas Mann]], der nach der [[Ernennung Hitlers zum Reichskanzler]] beschloss, seinen Auslandsaufenthalt bis zu einer Klärung der Lage in Deutschland zu verlängern. Darauf durchsuchte die [[Bayerische Politische Polizei]] (BPP) Manns Haus in München und beschlagnahmte das Haus nebst Inventar sowie das Bankkonto.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie'' Siedler, München 2011, S. 93.</ref><ref>[[Eckart Conze]], [[Norbert Frei]], Peter Hayes, [[Moshe Zimmermann]]: ''Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik''. München 2010, S. 85.</ref> Am 12. April 1933 forderte Heydrich, Mann sofort nach dessen Rückkehr in „[[Schutzhaft]]“ zu nehmen, und schrieb an [[Franz Ritter von Epp|Reichsstatthalter von Epp]]:
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 152-50-10, Reinhard Heydrich.jpg|mini|hochkant=1.3|Reinhard Heydrich (April 1934)]]
 
Die Konzeption der politischen Polizei in Bayern hatte für die spätere Entwicklung der Sicherheits- und Unterdrückungsstrukturen des Dritten Reiches Modellcharakter. Himmler und Heydrich gelang es, die Polizei aus den üblichen Verwaltungsstrukturen herauszulösen und mit der SS und ihrem Nachrichtendienst &nbsp;SD eng zu verzahnen. Damit förderte sie die nationalsozialistische Weltanschauung in der Gesellschaft sowieund die Bedeutung der SS.
 
==== Übernahme der reichsweiten Polizeigewalt durch die SS; Entmachtung der SA ====
Heinrich Himmler wurde am 20. April 1934 zum Inspekteur der Preußischen Geheimen Staatspolizei ernannt, die zuvor unter Kontrolle Hermann Görings gestanden hatte, und ernannte seinen engen Gefolgsmann Heydrich zum Chef des [[Geheime Staatspolizei#Gründung 1933 und erste Jahre bis 1936|Geheimen Staatspolizeiamtes (Gestapa)]].<ref>Michael Wildt: ''Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes.'' Hamburger Edition der HIS Verlagsgesellschaft, Hamburg 2003, S.&nbsp;247.</ref>
Heydrich, seit dem 5. &nbsp;April 1934 auch [[Preußischer Staatsrat (ab 1933)|preußischer Staatsrat]], verlegte den Sitz des SD an seinen neuen Wirkungsort in Berlin und begann damit, die Parteiformationen SS und SD wie zuvor in Bayern mit der Polizei zu verzahnen. Dieser Ausbau der Machtstellung Himmlers und Heydrichs stand im engen Zusammenhang mit der Furcht des Kontrollverlusts der NS-Führung um Hitler über die SA. Denn die Sturmabteilung unter [[Ernst Röhm]] war nach der Machtübernahme zunehmend unzufriedener geworden. Sie hatte Hitler ihrer Auffassung nach an die Macht gebracht, spielte jetzt jedoch nur noch eine untergeordnete Rolle. Ein Teil der SA forderte nach der ersten ''nationalen'' Revolution nun eine zweite, ''sozialistische'' Revolution, die Hitlers Bündnis mit den konservativen Eliten und der Reichswehr gefährdete. Hitler, dem die SA unbequem wurde, suchte nach Möglichkeiten, diese auszuschalten.
Heydrichs SD operierte darum mit fingierten Beweisen für einen angeblich unmittelbar bevorstehenden Putsch. Bei der Niederschlagung dieses sogenannten [[Röhm-Putsch]]es Ende Juni 1934 wurde die SA-Führungsriege durch Heydrich unterstehende Kommandos der SS und des SD exekutiert. Rückwirkend zu genau diesem 30. &nbsp;Juni 1934 wurde Heydrich für seine „Leistungen“ zum [[SS-Gruppenführer]] ernannt.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 104–106.</ref>
 
1936 wurde Himmler Chef der deutschen Polizei, Heydrich Chef der [[Hauptamt Sicherheitspolizei|Sicherheitspolizei]] (Sipo). Letztere, die sich aus der politischen Polizei und der [[Kriminalpolizei#Nationalsozialismus|Kriminalpolizei]] zusammensetzte, wurde straff durchorganisiert, mit zuverlässigen und jungen Nationalsozialisten akademischer Prägung durchsetzt und zentral geführt. In ihr hatte Heydrich ein effizientes und ihm weltanschaulich eng verbundenes Instrument, um vermeintliche Staatsfeinde, gegebenenfalls aber auch persönliche Widersacher und Rivalen gnadenlos zu verfolgen.
Er schuf ein Netz einer engen polizeilichen Überwachung, legte umfangreiche Akten an und beauftragte innerhalb des SD Wissenschaftler mit Analysen der Aktivitäten möglicher Staatsfeinde wie Juden, [[Kommunisten]], Liberale und religiöse Gruppen. Am 28. &nbsp;Mai 1936 forderte Heydrich in einem geheimen Befehl an die [[Gestapo|Staatspolizeidienststellen]], dass „die Anwendung [[Verschärfte Vernehmung|verschärfter Vernehmungsmethoden]] auf keinen Fall aktenkundig gemacht werden“ dürfe. Die Vernehmungsakten gefolterter Beschuldigter seien vom Leiter der jeweiligen Staatspolizeistelle persönlich unter Verschluss aufzubewahren.<ref>Michael Eggestein, [[Lothar Schirmer]]: ''Verwaltung im Nationalsozialismus''. Verlag für Ausbildung und Studium in der Elefanten Press, Berlin 1987, S.&nbsp;115&nbsp;ff.</ref>
 
==== Rivalität mit der Wehrmacht ====
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==== Reichspogromnacht ====
In der [[Reichspogromnacht]], die die SS unter Himmler und Heydrich insofern überraschte, als sie von der Partei und [[Joseph Goebbels]] ausging, sandte er am 10. &nbsp;November 1938 ein dringendes Fernschreiben an die StaPo mit verschiedenen Anweisungen. Beispielsweise erwähnt sei die Anordnung,
 
{{Zitat
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==== Gründung des Reichssicherheitshauptamtes unter Heydrich ====
1939 wurden SD und Sicherheitspolizei (Kriminalpolizei und Geheime Staatspolizei) dem neu geschaffenen [[Reichssicherheitshauptamt]] (RSHA) unterstellt, mit Heydrich an der Spitze als [[Chef der Sicherheitspolizei und des SD]], der sich personalpolitisch in einer bitteren Kontroverse gegen SS-Juristen um [[Werner Best (NSDAP)|Werner Best]] durchsetzen konnte. Heydrich wählte ganz bewusst eine Führungsschicht für das RSHA aus, die akademische Intelligenz mit kaltem völkischen Fanatismus zu verbinden wusste. Die Konzeption und die Verwirklichung des RSHA beruhten stark auf den Vorstellungen Heydrichs, der selbst das „politische Konzept einer Verschmelzung von SS und Polizei“ geradezu verkörperte.<ref>Michael Wildt: ''Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes.'' Hamburger Edition der HIS Verlagsgesellschaft, Hamburg 2003, S.&nbsp;680.</ref> Mittlerweile war ein riesiger Polizeiapparat entstanden, der überall Informationen sammeln und liefern konnte&nbsp;– ein Instrument zur Ausübung absoluter Herrschaft. Heydrich arbeitete weiter an der Vervollkommnung dieses Apparates, der seine ganze Macht und ideologische Orientierung in der nationalsozialistischen Herrschaft über Osteuropa und der Planung und Durchführung des Holocaust zeigen sollte. Das von ihm nach seinen Vorstellungen geschaffene RSHA wurde „ein entscheidendes radikalisierendes Element der NS-Politik“.<ref name="Michael Wildt 2003">Michael Wildt: ''Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes.'' Hamburger Edition der HIS Verlagsgesellschaft, Hamburg 2003, S.&nbsp;415.</ref>
 
Im August 1940 übernahm Heydrich auch die Präsidentschaft der [[Interpol|Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission]] (IKPK), der Vorgängerin der [[Interpol]]. Bereits seit längerem hatten die Nationalsozialisten versucht, die IKPK unter ihre Kontrolle zu bringen. Nachdem die Präsidentschaft der IKPK 1937 für fünf Jahre an den Wiener Polizeipräsidenten [[Michael Skubl]] vergeben worden war, übernahm nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 mit [[Otto Steinhäusl]] ein Nationalsozialist die Präsidentschaft. Nach dessen Tod 1940 wurde dann der Sitz der IKPK nach Berlin verlegt, wo sie de facto in das [[Reichskriminalpolizeiamt]], das Amt V des RSHA, integriert war.<ref>Mathieu Deflem: ''Policing World Society. Historical Foundations of International Police Cooperation''. Oxford UP, Oxford 2002, S. 181–195.</ref> An ihrem neuen Dienstsitz, ''Am kleinen Wannsee 16'', sollte eigentlich am 9.&nbsp;Dezember 1941 die [[Wannseekonferenz]] stattfinden, die kurzfristig verschoben und verlegt wurde.<ref>[[Saul Friedländer]]: ''Das Dritte Reich und die Juden''. Sonderausgabe, C.&nbsp;H. Beck, München 2007, S. 1167.</ref>
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{{Hauptartikel|Überfall auf den Sender Gleiwitz}}
 
Anfang August 1939 leitete Heydrich die Vorbereitungen für den [[Überfall auf den Sender Gleiwitz]] und zu weiteren fingierten Zwischenfällen an der deutsch-polnischen Grenze, um polnische Übergriffe als Vorwand für den verbrecherischen [[Angriffskrieg]] gegen Polen vorzutäuschen. Ab dem 22.&nbsp;August 1939 lösten als polnische [[Freischärler]] verkleidete SD- und SS-Angehörige sowie dazu genötigte Gefangene des [[KZ Sachsenhausen]] (die ermordet und als Beweis für Kampfhandlungen liegen gelassen wurden) mehrere „Grenzzwischenfälle“ aus.
Am 31. &nbsp;August 1939 überfiel eine Gruppe von [[Schutzstaffel|SS]]-Männern unter Führung von Sturmbannführer [[Alfred Naujocks]] den [[Sender Gleiwitz]].<ref>Mario R. Dederichs: ''Heydrich. The Face of Evil.'' Casemate Publishers, 2009, ISBN 1-935149-12-1, S. 89.</ref> Am 1. &nbsp;September 1939 begann der [[Überfall auf Polen]], der mit diesen angeblichen polnischen Übergriffen gerechtfertigt wurde.
 
==== Einsatzgruppen ====
[[Datei:HimmlerAndHeydrich 1938.jpeg|mini|Heydrich neben Heinrich Himmler in Wien (März 1938)]]
Den rasch vorrückenden Truppen der Wehrmacht folgten sogenannte [[Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD|SS-Einsatzgruppen]], die rücksichtslos gegen die Zivilbevölkerung vorgingen, insbesondere gegen die „[[Intelligenzija|Intelligenz]]“ und Juden. Mit ihrem Wirken begann der [[Vernichtungskrieg]] gegen die Zivilbevölkerung unterworfener Länder Osteuropas. „Die Einsatzgruppen, die in Polen im Herbst 1939 den polizeilichen ''Sicherheitsauftrag'' der Besatzungsmacht auf die ''Völkische Flurbereinigung'', auf Deportation und Massenerschießungen ausdehnten, stellten als mobile Einheiten des RSHA ebenjene ''kämpfende Verwaltung'' dar, die Heydrich gefordert hatte.“<ref name="Michael Wildt 2003" /> Noch während des Überfalls auf Polen gelang es Himmler und Heydrich, die Kompetenzen von SS und Polizeikräften gegenüber der Wehrmacht weiter auszubauen und durch eigenständige Polizei-Standgerichte neben der Wehrmachtjustiz über Erschießungen zu befinden. Waren zu Beginn des Feldzuges die Einsatzgruppen von SS, SD und Polizei zumindest nominell noch der Wehrmacht nachgeordnet, etablierte die SS sich als selbstständig handelnde Kraft neben der Wehrmacht.
 
Den rasch vorrückenden Truppen der Wehrmacht folgten sogenannte [[Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD|SS-Einsatzgruppen]], die rücksichtslos gegen die Zivilbevölkerung vorgingen, insbesondere gegen die „[[Intelligenzija|Intelligenz]]“ und Juden. Mit ihrem Wirken begann der [[Vernichtungskrieg]] gegen die Zivilbevölkerung unterworfener Länder Osteuropas. „Die Einsatzgruppen, die in Polen im Herbst 1939 den polizeilichen ''Sicherheitsauftrag'' der Besatzungsmacht auf die ''Völkische Flurbereinigung'', auf Deportation und Massenerschießungen ausdehnten, stellten als mobile Einheiten des RSHA ebenjene ''kämpfende Verwaltung'' dar, die Heydrich gefordert hatte.“<ref name="Michael Wildt 2003" /> Noch während des Überfalls auf Polen gelang es Himmler und Heydrich, die Kompetenzen von SS und Polizeikräften gegenüber der Wehrmacht weiter auszubauen und durch eigenständige Polizei-Standgerichte neben der Wehrmachtjustiz über Erschießungen zu befinden. Waren zu Beginn des Feldzuges die Einsatzgruppen von SS, SD und Polizei zumindest nominell noch der Wehrmacht nachgeordnet, etablierte die SS sich als selbstständig handelnde Kraft neben der Wehrmacht.
Diese Unabhängigkeit, die eine Kooperation zwischen SS-Einsatzgruppen und Wehrmacht jedoch keineswegs ausschloss, wurde im späteren Verlauf des [[Ostfront (Zweiter Weltkrieg)|Krieges im Osten]] beibehalten. Als am 22. Juni 1941 das [[Unternehmen Barbarossa]], der [[Deutsch-Sowjetischer Krieg|Krieg gegen die Sowjetunion]], begann, verübten die Einsatzgruppen der SS systematisch [[Massaker]].
Noch während des Überfalls auf Polen gelang es Himmler und Heydrich, die Kompetenzen von SS und Polizeikräften gegenüber der Wehrmacht weiter auszubauen und durch eigenständige Polizei-Standgerichte neben der Wehrmachtjustiz über Erschießungen zu befinden. Waren zu Beginn des Feldzuges die Einsatzgruppen von SS, SD und Polizei zumindest nominell noch der Wehrmacht nachgeordnet, etablierte die SS sich als selbstständig handelnde Kraft neben der Wehrmacht.
 
Diese Unabhängigkeit, die eine Kooperation zwischen SS-Einsatzgruppen und Wehrmacht jedoch keineswegs ausschloss, wurde im späteren Verlauf des [[Ostfront (Zweiter Weltkrieg)|Krieges im Osten]] beibehalten. Als am 22. &nbsp;Juni 1941 das [[Unternehmen Barbarossa]], der [[Deutsch-Sowjetischer Krieg|Krieg gegen die Sowjetunion]], begann, verübten die Einsatzgruppen der SS systematisch [[Massaker]].
 
==== Kriegseinsatz bei der Luftwaffe ====
Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] nahm Heydrich als Reserveoffizier der [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]] zunächst als [[Bordschütze]] im [[Kampfgeschwader&nbsp;55]] am Überfall auf Polen, später als [[Jagdflieger]] im [[Jagdgeschwader&nbsp;77]] an Einsätzen über [[Norwegen]], [[Norddeutschland]] und [[Holland]] teil. Er flog eine [[Messerschmitt Bf 109|Messerschmitt Bf&nbsp;109E-7]].<ref name="Gerwarth-243">Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 243.</ref>
 
Im Sommer 1941 missachtete Heydrich ein ausdrückliches Verbot des Reichsführers SS Himmler von Kampfeinsätzen, meldete sich am Flugplatz [[Bălți]] im Südabschnitt der Ostfront in der Uniform eines Luftwaffenmajors und wurde der II.&nbsp;Gruppe des Jagdgeschwaders&nbsp;77 zugeteilt, in der er schon früher geflogen war. Sein Flugzeug wurde am Nachmittag des 22. &nbsp;Juli über [[Jampil|Jampol]] von einem sowjetischen [[Flugabwehrkanone|Flak]]<nowiki />geschoss getroffen, und der Motor fiel aus. Heydrich war gezwungen, zwischen den Frontlinien notzulanden.
Im Luftwaffenstützpunkt befürchtete man, „Heydrich sei entweder tot oder – schlimmer noch – dem russischen [[NKWD]] in die Hände gefallen“, doch schon nach wenigen Stunden kam die Meldung, eineein vorgeschobenevorgeschobener PatrouilleSpähtrupp habe ihn gerettet.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 244.</ref>
Dass der Fliegereinsatz Heydrichs von Himmler nicht genehmigt war, thematisierte dieser noch in seiner Gedenkrede zu Heydrichs Tod 1942. Darin erwähnte Himmler „mit stolzer Freude“, dies sei „die einzige Heimlichkeit in den elf Jahren unseres gemeinsamen Weges [gewesen], die er vor mir hatte“.<ref name="Gerwarth-243" />
 
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==== Die „Endlösung der Judenfrage“ ====
[[Datei:Carta Göring.JPG|mini|Auftrag Görings an Heydrich vom 31. &nbsp;Juli 1941]]
 
In der [[Ideologie]] der Nationalsozialisten galten [[Juden]] als Feind schlechthin. Sie wurden als „[[Untermensch]]en“ dargestellt und in der [[NS-Propaganda]] mitunter mit [[Ratten]] (so im Film ''[[Der ewige Jude]]'') und anderem Ungeziefer verglichen.
 
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Nach der Eroberung Polens gab Heydrich den Befehl, [[Ghetto]]s für die Juden einzurichten und dort so genannte [[Judenrat|Judenräte]] zu bilden. So wurden die [[Jüdische Gemeinde|jüdischen Gemeinden]] gezwungen, mit den Nationalsozialisten zusammenzuarbeiten und an ihrem eigenen Untergang mitzuwirken. Mit Eichmanns Hilfe organisierte Heydrich [[Deportation deutscher Juden|Deportationen]] von Juden aus dem ganzen Reichsgebiet sowie aus Österreich und Teilen Polens in diese neu errichteten Ghettos. In einer Anweisung vom 22. September 1939 unterschied Heydrich zwischen einem „geheimen Endziel“, dessen Verfolgung langfristig erfolgen müsse, und den Mitteln und Wegen dorthin. Ghettos waren für ihn nur Zwischenstationen. Als Endziel war zu diesem Zeitpunkt eine Deportation aller Juden aus den eingegliederten Gebieten in ein Territorium an der östlichen Grenze Polens angedacht.<ref>so bei Peter Longerich: ''Politik der Vernichtung.'' München 1998, ISBN 3-492-03755-0, S. 253.</ref>
 
Durch die Eroberung Osteuropas fielen Millionen von Juden und anderen Menschen, die als „Angehörige minderwertiger Rassen“ herabgesetzt wurden, in deutsche Hand. Wann der [[Holocaust#Entschlussbildung|Entschluss zur Ermordung aller Juden]] gefasst wurde, ist strittig; die meisten Historiker datieren ihn zwischen September und Dezember 1941. Die systematische Ermordung der Juden begann in stufenweise radikalisierten Schritten durch die [[Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD|Einsatzgruppen]].
Schon acht Tage nach Beginn des Unternehmens Barbarossa unternahm Heydrich am 30. Juni 1941 seine erste Inspektionsreise und forderte umgehend in seinem Einsatzbefehl, der Einsatzgruppe&nbsp;B sollte es doch „bei geschicktem Vorgehen nicht schwer fallen, mit der militärischen Entwicklung Schritt zu halten“.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 236 f.</ref> Prompt meldete wenige Tage später Einsatzgruppenchef [[Arthur Nebe]], in den ersten Tagen seien zwar in Grodno und Lidna „nur 96 Juden exekutiert worden“, er habe aber „Befehl gegeben, dass hier erheblich zu intensivieren sei“.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie.'' Siedler, München 2011, S. 237.</ref>
Heydrichs Inspektionsreisen trugen zu einem massiven Anstieg der [[Massenmord]]e an jüdischen Zivilisten in den besetzten sowjetischen Gebieten bei, so dass schon wenige Wochen nach Kriegsbeginn dazu übergegangen wurde, Frauen und Kinder bei Massenerschießungen umzubringen, wobei das Einsatzkommando &nbsp;9 unter der Leitung [[Alfred Filbert]]s das erste war, „das von Ende Juli an systematisch jüdische Frauen und Kinder in Weißrussland umbrachte, offenbar auf ausdrücklichen Befehl Heydrichs“.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie.'' Siedler, München 2011, S. 245.</ref>
 
Am 31. Juli 1941 wurde Heydrich von Hermann Göring beauftragt, alle erforderlichen Vorbereitungen für eine „Gesamtlösung der Judenfrage“ zu treffen, seien sie finanzieller, organisatorischer oder verwaltungstechnischer Natur. Heydrich erkannte schnell, dass zu diesem Zweck eine zentrale Koordinierung aller beteiligten Stellen erforderlich war. So berief er zum 20. &nbsp;Januar 1942 die [[Wannsee-Konferenz|Wannseekonferenz]] ein, um Mittel und Wege zur „[[Endlösung]] der europäischen Judenfrage“ zu erörtern. Heydrich konkretisierte, was mit den deportierten Juden geschehen sollte:
 
{{Zitat
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|ref=<ref>{{Webarchiv |url=http://zavodsky.webz.cz/dobias/heydrich_de.htm |wayback=20101231073103 |text=Prager Antrittsrede Rede Heydrichs vom 2. Oktober 1941}}; siehe auch Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S.&nbsp;278&nbsp;f. u. 291.</ref>}}
 
Diese [[Wirtschaft im Nationalsozialismus|wirtschaftspolitische]] Ausbeutung verlief in Abstimmung mit Ernährungsstaatssekretär [[Herbert Backe]], „einer der wenigen engen persönlichen Freunde Heydrichs“.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 233 f.</ref> Da insbesondere die Aufrechterhaltung der tschechischen Rüstungsindustrie für die Kriegsführung des Deutschen Reiches von großer Bedeutung war, sollten die tschechischen Arbeiter im Unterschied zu den „minderwertigen Rassen Europas“, die keine kriegswichtige Arbeit für Deutschland leisteten, ausreichend ernährt werden.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 289 f.</ref>
Nach dem Krieg könne man dann mit den Tschechen abrechnen. Heydrich führte unverzüglich drakonische Maßnahmen gegen die Bevölkerung ein. Bis Ende November 1941 wurden 6000 &nbsp;Menschen verhaftet und offiziell 404 Todesurteile vollstreckt. 1299 dieser alleine in diesen ersten zwei Monaten der Amtszeit Heydrichs Inhaftierten wurden im Winter in das [[Konzentrationslager Mauthausen]] deportiert; von ihnen überlebten nur 52 den Krieg.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 278.</ref> Dies brachte ihm bei der Prager Bevölkerung den Spitznamen „Der Henker von Prag“ ein. Er entschied, dass in [[Terezín|Theresienstadt]] ein [[Deutsche Konzentrationslager|Konzentrationslager]] für die jüdische Bevölkerung Böhmens und Mährens errichtet wurde.
 
Das ''Landgut [[Panenské Břežany|Jungfern Breschan]]'' bei Prag, das zuvor dem jüdischen Zuckerfabrikanten [[Ferdinand Bloch-Bauer]] [[Arisierung|abgenommen]] worden war, diente der Familie Heydrich als Herrschaftssitz. Es umfasste zwei Schlösser, eine Fläche von 125 Hektar Wald und eine ausgedehnte Gärtnerei. [[Lina Heydrich]] ließ fortan [[KZ-Häftling|Häftlinge]] aus dem [[KZ Theresienstadt]] rekrutieren, um sie als Arbeiter auf dem Landsitz einzusetzen, auf dem zu diesem Zweck ein Außenlager errichtet wurde.
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Nach dem Einmarsch deutscher Wehrmachtstruppen war ein Teil der tschechischen Regierung nach Großbritannien geflohen. In London etablierte der ehemalige Präsident [[Edvard Beneš]] eine [[Tschechoslowakische Exilregierung|Exilregierung]], die Sabotageakte in der besetzten Heimat durchführen ließ. Hierzu wurden von den Briten tschechoslowakische Soldaten ausgebildet, die nachts mit Fallschirmen über dem besetzten Gebiet absprangen. Die Agenten sollten zum tschechischen Untergrund Kontakt aufnehmen und Aktionen wie Sprengungen von Fabrikanlagen und Aufstellung von Funkpeilanlagen zur Orientierung für [[alliierte]] Bomber durchführen. Da aber das Überwachungssystem und der Druck der Deutschen auf die tschechische Bevölkerung unterschätzt wurden, blieben die Aktionen meist erfolglos.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 18 ff.</ref>
 
Ende 1941 reifte der Plan, eine aufsehenerregende Aktion durchzuführen – ein Attentat auf den verhassten Reichsprotektor, der auch als Chef des Reichssicherheitshauptamtes im Visier des britischen Geheimdienstes stand. Mit harter Unterdrückung war es ihm zunächst gelungen, den [[Tschechoslowakischer Widerstand 1939–1945|tschechischen Widerstand]] erheblich zu schwächen. Die Aktion, die vom [[Militärischer Nachrichtendienst in der Tschechoslowakei|tschechoslowakischen Nachrichtendienst]] unter der Leitung von [[František Moravec]] vorbereitet wurde, erhielt den Decknamen [[Operation Anthropoid]]. Unter strengster Geheimhaltung wurde ein enger Kreis von Soldaten hierfür ausgebildet.
Am frühen Morgen des 29. &nbsp;Dezember 1941 wurden [[Jozef Gabčík]] und [[Jan Kubiš]] von einem britischen [[Handley Page Halifax|Halifax]]-Bomber östlich von [[Pilsen]] mit Fallschirmen abgesetzt. Den beiden gelang es, sich nach Prag durchzuschlagen, zum dortigen Untergrund Kontakt aufzunehmen und für die nächsten Monate unterzutauchen. Hier erfuhren sie Einzelheiten über Heydrichs Gewohnheiten und seinen Tagesablauf. So ließ er sich jeden Tag ohne [[Eskorte|Begleitschutz]], meist im offenen Wagen, stets dieselbe Strecke von seinem Landgut zum Prager [[Hradschin]] fahren.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 22 ff.</ref>
 
In den Wochen vor dem Anschlag war der tschechische Widerstand erstarkt.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 327 ff.</ref> Heydrich, der ab September 1941 beschönigende Berichte an [[Martin Bormann]] geschickt hatte, um „seine ‚Leistungen‘ im Protektorat ins rechte Licht zu rücken“, räumte in einem Schreiben an Bormann am 19. &nbsp;Mai 1942 erstmals ein, dass sich die Lage im Protektorat verschlechtert habe, und sagte auf einer Pressekonferenz in Prag am 26. &nbsp;Mai 1942, einen Tag vor dem Überfall:
{{Zitat
|Text=Ich spüre und sehe, daß die ausländische Propaganda und die defaitistische und deutschfeindliche Flüsterpropaganda im Raum wieder erheblich am Zunehmen ist. […] Auch die kleinen Sabotageakte, die weniger Schaden tun als einen oppositionellen Geist demonstrieren sollen, haben zugenommen.
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==== Ablauf des Attentats ====
Für den Anschlag wählten die Attentäter eine enge, abschüssige Haarnadelkurve in der Prager Vorstadt [[Praha-Libeň|Libeň]] aus. In der Nähe gab es keine Polizeistation. Die Kurve konnte nur mit geringer Geschwindigkeit durchfahren werden. Am Morgen des 27. &nbsp;Mai 1942 postierten sich Gabčík und Kubiš in der Nähe der Kurve. In Aktentaschen hatten sie eine zerlegbare [[Sten Gun|Sten-Gun]]-Maschinenpistole sowie eine aus speziellem Sprengstoff gefertigte [[Handgranate]] mit hoher Explosivkraft. Ein weiterer Agent, Josef Valčík, nahm eine Position oberhalb ein, um Heydrichs Annähern mit einem Taschenspiegel zu signalisieren.
 
[[Datei:Bundesarchiv Bild 146-1972-039-44, Heydrich-Attentat.jpg|mini|hochkant=1.2|Der beim Attentat beschädigte Wagen Heydrichs, 27. Mai 1942]]
 
Heydrich verspätete sich an diesem Morgen. Als sein Wagen schließlich eintraf, musste sein Fahrer, [[SS-Oberscharführer]] Klein, vor der Kurve den [[Mercedes-Benz W142|Mercedes-Benz]] stark abbremsen. Gabčík hob seine Maschinenpistole und drückte aus kürzester Entfernung ab. Die Waffe hatte jedoch [[Ladehemmung]], so dass sich kein Schuss löste. Heydrich, im Glauben, es nur mit einem Einzeltäter zu tun zu haben, traf eine für ihn persönlich verhängnisvolle Fehlentscheidung: Er befahl dem Fahrer anzuhalten und zog gegen Gabčík seine Dienstpistole. Kubiš trat nun aus der Deckung und warf seine Handgranate. Diese prallte am rechten Hinterrad ab und explodierte neben dem Fahrzeug. Heydrich sprang aus dem Wagen und versuchte, auf die Attentäter zu schießen. Sein Fahrer Klein, „durch die Explosion desorientiert, torkelte auf Kubiš zu“, und „Heydrich brach plötzlich mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammen, so dass auch Gabčík aus seinem Schussfeld entkommen konnte“.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 27 f.; vgl. Stanislav F. Berton (Hrsg.): ''Das Attentat auf Reinhard Heydrich vom 27. Mai 1942. Ein Bericht des Kriminalrats Heinz Pannwitz.'' In: ''[[Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte]]'', Jg.&nbsp;33, Heft&nbsp;4 (1985), S.&nbsp;668–706 ([http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1985_4.pdf PDF]).</ref> Erst nach einiger Zeit wurde er von tschechischen und deutschen Passanten gefunden und in einem Lieferwagen eines Bäckers ins nahe Krankenhaus ''Na Bulovce'' (an der Bulovka) gefahren.
Heydrich verspätete sich an diesem Morgen. Als sein Wagen schließlich eintraf, musste sein Fahrer, [[SS-Oberscharführer]] Klein, vor der Kurve den [[Mercedes-Benz W142|Mercedes-Benz]] stark abbremsen. Gabčík hob seine Maschinenpistole und drückte aus kürzester Entfernung ab. Die Waffe hatte jedoch [[Ladehemmung]], so dass sich kein Schuss löste. Heydrich, im Glauben, es nur mit einem Einzeltäter zu tun zu haben, traf eine für ihn persönlich verhängnisvolle Fehlentscheidung: Er befahl dem Fahrer anzuhalten und zog gegen Gabčík seine Dienstpistole. Kubiš trat nun aus der Deckung und warf seine Handgranate. Diese prallte am rechten Hinterrad ab und explodierte neben dem Fahrzeug. Heydrich sprang aus dem Wagen und versuchte, auf die Attentäter zu schießen.
Heydrich verspätete sich an diesem Morgen. Als sein Wagen schließlich eintraf, musste sein Fahrer, [[SS-Oberscharführer]] Klein, vor der Kurve den [[Mercedes-Benz W142|Mercedes-Benz]] stark abbremsen. Gabčík hob seine Maschinenpistole und drückte aus kürzester Entfernung ab. Die Waffe hatte jedoch [[Ladehemmung]], so dass sich kein Schuss löste. Heydrich, im Glauben, es nur mit einem Einzeltäter zu tun zu haben, traf eine für ihn persönlich verhängnisvolle Fehlentscheidung: Er befahl dem Fahrer anzuhalten und zog gegen Gabčík seine Dienstpistole. Kubiš trat nun aus der Deckung und warf seine Handgranate. Diese prallte am rechten Hinterrad ab und explodierte neben dem Fahrzeug. Heydrich sprang aus dem Wagen und versuchte, auf die Attentäter zu schießen. Sein Fahrer Klein, „durch die Explosion desorientiert, torkelte auf Kubiš zu“, und „Heydrich brach plötzlich mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammen, so dass auch Gabčík aus seinem Schussfeld entkommen konnte“.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 27 f.; vgl. Stanislav F. Berton (Hrsg.): ''Das Attentat auf Reinhard Heydrich vom 27. &nbsp;Mai 1942. Ein Bericht des Kriminalrats Heinz Pannwitz.'' In: ''[[Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte]]'', Jg.&nbsp;33, Heft&nbsp;4 (1985), S.&nbsp;668–706 ([http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1985_4.pdf PDF]).</ref> Erst nach einiger Zeit wurde er von tschechischen und deutschen Passanten gefunden und in einem Lieferwagen eines Bäckers ins nahe Krankenhaus ''Na Bulovce'' (an der Bulovka) gefahren.
 
==== Tod ====
Tschechische Ärzte untersuchten Heydrich. Eine Röntgenaufnahme zeigte eine zertrümmerte [[Rippe]], einen [[Zwerchfellruptur|Zwerchfellriss]] und Splitter in der [[Milz]], während seine [[Nieren]] unverletzt geblieben waren.
 
Himmler sandte seinen Leibarzt [[Karl Gebhardt]] für die Operation nach Prag. Gebhardts Flugzeug landete mit Verspätung. Inzwischen hatten die in Prag lebenden deutschen Ärzte [[Josef Hohlbaum]] und [[Walter Dick (Mediziner, 1899)|Walter Dick]] die Operation vorgenommen. Zunächst schien sich Heydrichs Zustand zu verbessern, doch am 3.&nbsp;Juni trat eine plötzliche Verschlechterung mit hohem [[Fieber]] und [[Sepsis]] aufgrund einer [[Bauchfellentzündung]] ein, die wahrscheinlich durch Partikel der Polsterung des Wagens verursacht wurde, die nicht erkannt in die Bauchhöhle gelangt waren.
Wäre [[Penicillin]] eingesetzt worden, das nicht zur Verfügung stand, „hätte Heydrich wohl überlebt“.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie.'' Siedler, München 2011, S. 30 f.</ref> Er fiel ins [[Koma]] und starb am 4.&nbsp;Juni 1942 um 9.00 Uhr.<ref> Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich. Biographie. Siedler, München 2011, ISBN 978-3-88680-894-6. S. 31 </ref>
Eine Studie im Jahre 2012 kam zu dem Schluss, dass die genaue Todesursache bis heute nicht abschließend geklärt sei; danach ist die bislang häufig vertretene These, er sei an [[Gasbrand]] gestorben, nicht haltbar.<ref>Nicolas Hardt: ''Das Attentat von Prag 1942 und die Chirurgie. Zwischen Wissenschaft und Politik.'' In: [[Deutsche Gesellschaft für Chirurgie]] (Hrsg.): ''Mitteilungen.'' Nr.&nbsp;2, 2012, S.&nbsp;157–164 ({{Webarchiv |url=http://www.dgch.de/fileadmin/media/texte_pdf/2012-02_DGCH-Mitteilungen.pdf |wayback=20130331230556 |text=PDF}}).</ref>
 
Himmler übernahm zunächst selbst [[Kommissar#Kommissarische Amtsausübung|kommissarisch]] die Führung des Reichssicherheitshauptamtes, bis er [[Ernst Kaltenbrunner]] am 30. &nbsp;Januar 1943 als neuen Chef des RSHA in sein Amt einführte. Zum Nachfolger Heydrichs als ''Stellvertretender Reichsprotektor in Böhmen und Mähren'' bestimmte er den ''Chef der Ordnungspolizei'' [[Kurt Daluege]].
 
== Vergeltung, Staatstrauer und Heydrich-Verehrung ==
=== Ermittlungen ===
Unmittelbar nach dem Attentat wurde der Gestapo-Beamte und Referatsleiter (Referat &nbsp;II &nbsp;g – ''Attentate, illegaler Waffenbesitz und Sabotage'') bei der Staatspolizeileitstelle Prag, [[Heinz Pannwitz]], mit der Leitung einer Sonderkommission zur Aufklärung des Heydrich-Attentats betraut. Pannwitz war Autor des amtlichen Abschlussberichtes zum Heydrich-Attentat und verfasste in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre zwei Niederschriften zum Attentat.<ref>Stanislav F. Berton (Hrsg.): ''Das Attentat auf Reinhard Heydrich vom 27. &nbsp;Mai 1942. Ein Bericht des Kriminalrats Heinz Pannwitz.'' In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jg.&nbsp;33, Heft&nbsp;4 (1985), S.&nbsp;670&nbsp;f. [http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1985_4.pdf PDF]</ref>
 
[[Datei:Resslova-Pamatnik-parasutisti.jpg|mini|Gedenkplatte an der Kirche St. Cyrill und Method in Prag zur Erinnerung an den letzten Kampf der Attentäter Heydrichs]]
 
Das Attentat auf Heydrich traf die NS-Führung anscheinend bis ins Mark. Die Suche nach den Angreifern verlief zunächst hektisch und schlecht organisiert. Mit Hilfe des später heiliggesprochenen [[Gorazd von Prag|Bischofs Gorazd]] (mit bürgerlichem Namen Matěj Pavlík) versteckten sich die Attentäter in der Krypta der Karl-Borromäus-Kirche (seit 1935 [[Kirche St. Cyrill und Method (Prag)|Kirche St.&nbsp;Cyrill und Method]]) in Prag. In der Folgezeit übten die deutschen Besatzer vor allem durch Geiselnahmen erheblichen Druck auf die tschechische Bevölkerung aus.
 
=== {{Anker|Rachemassaker}} Verfolgungen ===
{{Hauptartikel|Massaker von Lidice}}
 
Nach dem Attentat auf Heydrich wurde noch am 27. &nbsp;Mai 1942 über das gesamte Protektoratsgebiet umgehend das [[Standrecht#Nationalsozialismus|Standrecht]] erklärt, das erst am 3. &nbsp;Juli 1942 aufgehoben wurde. Während dieses Standrechts, später in der Tschechoslowakei als ''heydrichiáda'' (Heydrichiade) bezeichnet, wie auch danach kam es zu umfangreichen Verhaftungswellen (über 3000 &nbsp;Menschen) mit Hinrichtungen von über 1300 &nbsp;Menschen.<ref name="radio1">''Das Attentat auf Reinhard Heydrich und seine Folgen'', Bericht des Rundfunks Radio Praha, 19. Mai 2007, Abschrift der Sendung, online auf: [http://www.radio.cz/de/rubrik/geschichte/das-attentat-auf-reinhard-heydrich-und-seine-folgen radio.cz/...]</ref><ref name="radio2">''Das Heydrich Attentat (2) – Die Vernichtung von Lidice'', Bericht des Rundfunks Radio Praha, 2. Juni 2007, Abschrift der Sendung, online auf: [http://www.radio.cz/de/rubrik/geschichte/das-heydrich-attentat-2-die-vernichtung-von-lidice radio.cz/...]</ref> In der Folge wurden zuerst das Dorf [[Lidice#Massaker und Zerstörung 1942|Lidice]] und wenige Tage später auch [[Ležáky]] dem Erdboden gleichgemacht. Alle 184 männlichen Bewohner Lidices über 16 Jahre wurden erschossen (9./10.&nbsp;Juni 1942), die Frauen in [[Konzentrationslager]] deportiert, während sich die Kinder einer „rassischen Musterung“ zu unterziehen hatten.<ref name="radio2" /><ref name="ReferenceB">Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 340.</ref> Neun der Kinder wurden als „germanisierbar“ eingestuft und zu deutschen Pflegeeltern geschafft, „die übrigen brachte man um“.<ref name="ReferenceB" />
In der Folge wurden zuerst das Dorf [[Lidice#Massaker und Zerstörung 1942|Lidice]] und wenige Tage später auch [[Ležáky]] dem Erdboden gleichgemacht. Alle 184 männlichen Bewohner Lidices über 16&nbsp;Jahre wurden erschossen (9./10.&nbsp;Juni 1942), die Frauen in [[Konzentrationslager]] deportiert, während sich die Kinder einer „rassischen Musterung“ zu unterziehen hatten.<ref name="radio2" /><ref name="ReferenceB">Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 340.</ref> Neun der Kinder wurden als „germanisierbar“ eingestuft und zu deutschen Pflegeeltern geschafft, „die übrigen brachte man um“.<ref name="ReferenceB" />
 
Als Rechtfertigung für die Ermordung der Menschen nannte man wider besseres Wissen angebliche Beweise für einen Zusammenhang zwischen Lidice und den Attentätern, denn eine solche Vermutung hatte sich schon vor der Vernichtung Lidices „als falsch erwiesen“.<ref name="ReferenceB" /> Zu den Opfern von Lidice und Ležáky kamen 3188 im Sommer 1942 zum Tode verurteilte Tschechen, „davon 477 aus dem einzigen Grund, dass sie das Attentat auf Heydrich ‚gutgeheißen‘ hatten“.<ref name="ReferenceC">Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 345.</ref>
 
Das Versteck in der Prager Kirche wurde schließlich auf indirektem Wege durch den Hinweis des Fallschirmagenten [[Karel Čurda]] gefunden, der am 16. &nbsp;Juni 1942, „um sein Leben zu retten und seine Familie zu schützen“, der Gestapo den Namen der Familie Moravec in Prag nannte, wo die beiden Attentäter zeitweilig untergekommen waren. Der noch minderjährige Sohn der Familie, Vlastimil, brach nach einem brutalen Verhör, „als ihm die Ermittler den abgeschnittenen Kopf seiner Mutter in einem mit Flüssigkeit gefüllten Glasbehälter zeigten und drohten, den Kopf des Vaters dazuzulegen“, zusammen und teilte seinen Peinigern das Versteck in der Karl-Borromäus-Kirche mit.<ref name="Gerwarth-343">Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 343.</ref>
 
Nach mehrstündigem Kampf mit SS-Einheiten unter der Leitung von [[Karl von Fischer-Treuenfeld]] erschossen sich die Attentäter am 18. &nbsp;Juni 1942 in aussichtsloser Lage. Bischof [[Matěj Pavlík|Gorazd]], der die Verantwortung für die Ereignisse in der Kirche auf sich genommen hatte, Pater Petrek, der in der Kirche angetroffen worden war, und zwei weitere orthodoxe Priester, die den Attentätern Zuflucht gewährt hatten, wurden von den Besatzern hingerichtet.<ref name="Gerwarth-343" />
 
=== Staatsbegräbnis und Kult ===
[[Datei:Heydrich funeral.jpg|mini|Adolf Hitler beim Staatsbegräbnis für Reinhard Heydrich (9. Juni 1942)]]
 
Heydrichs Leiche wurde nach seinem Tod zwei Tage im [[Hradschin]] aufgebahrt<ref name="coll">[http://www.collectinghistory.net/heydrichstamp/ The Reinhard Heydrich (Death Mask) Commemorative Postal Stamp]</ref> und anschließend nach Berlin überführt. Am 9.&nbsp;Juni fand in der [[Neue Reichskanzlei|Neuen Reichskanzlei]] die seit dem Staatsbegräbnis von Reichspräsident [[Paul von Hindenburg]] größte Totenfeier des Dritten Reiches statt,<ref>Volker Ackermann: ''Nationale Totenfeiern in Deutschland.'' Stuttgart 1990, S. 192.</ref> an der alle NS-Größen teilnahmen.
Heydrichs Leichnam wurde auf dem Berliner ''[[Invalidenfriedhof]]'' beigesetzt.<ref>Jörn Hasselmann: [https://www.tagesspiegel.de/berlin/ss-fuehrer-reinhard-heydrich-unbekannte-oeffnen-grab-von-nazi-verbrecher/25335738.html Unbekannte öffnen Grab von Nazi-Verbrecher], tagesspiegel.de, 14. Dezember 2019 (zuletzt aufgerufen am 14. Dezember 2019).</ref>
Die Grabrede hielt Himmler, der betonte, dass „alle Maßnahmen und Handlungen, die er traf, er als Nationalsozialist und SS-Mann anpackte. Aus den tiefen Gründen seines Herzens und Blutes heraus habe er die [[Weltanschauung#Im Nationalsozialismus|Weltanschauung]] Adolf Hitlers erfühlt, verstanden und verwirklicht“. Hitler pries ihn als „[[Blutzeuge (Nationalsozialismus)|Blutzeuge]][n], gefallen für die Erhaltung und Sicherung des Reiches“, und zeichnete ihn postum, als zweiten Deutschen nach [[Fritz Todt]], mit der [[Deutscher Orden der NSDAP|obersten Stufe des Deutschen Ordens]] aus, der höchsten Auszeichnung der NSDAP.<ref>[http://www.worldfuturefund.org/wffmaster/Reading/Germany/Heydrich.htm Protokoll der Grabrede Himmlers und Hitlers]; siehe auch Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S.&nbsp;338&nbsp;f.</ref>
 
[[Datei:GraveReinhardHeydrich-InvalidenfriedhofBerlin RomanDeckert15042023-01.jpg|mini|Heydrichs anonymisiertes Grab]]
 
Nach Heydrichs Tod wurde am 25. Juli 1942 die [[Reinhard-Heydrich-Stiftung]] in Prag gegründet. Bereits seit 1940 vorbereitet und formal als ''Reichsstiftung für wissenschaftliche Forschung'' eingerichtet, diente sie tatsächlich dazu, die deutsche Besetzung Böhmens und Mährens zu rechtfertigen und Arbeiten für die [[Germanisierung#Zeit des Nationalsozialismus|Germanisierungspläne]] zu leisten.<ref>Andreas Wiedemann: [http://hait.tu-dresden.de/dok/bst/Heft_28_Wiedemann.pdf ''Die Reinhard-Heydrich-Stiftung in Prag (1942–1945).''] [[Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung]], Dresden 2000, S.&nbsp;44ff., S.&nbsp;54.</ref>
 
Zum ersten Jahrestag seines Todes gab es 1943 erneut eine Gedenkfeier, am Ort des Attentats wurde eine Büste nach Heydrichs [[Totenmaske]] aufgestellt, vor der sich vorübergehende Passanten verbeugen mussten. Kurz davor, am 28. &nbsp;Mai 1943, wurde eine Gedenkbriefmarke ausgegeben, die an die Teilnehmer der Gedenkfeier als Briefmarkenblock überreicht wurde. Heydrich wurde „zum mythisch verklärten ‚Märtyrer‘ im nationalsozialistischen Pantheon der gefallenen Helden“ erhoben und ein „neue[r] Höhepunkt des nationalsozialistischen Totenkults“ inszeniert.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 338 f.</ref> Hitler ließ ihn in eine Ehrenliste gefallener „Kämpfer der NSDAP“ aufnehmen und das SS-Gebirgsjäger-Regiment 11 der [[6. SS-Gebirgs-Division „Nord“]] nach ihm benennen. Gleichfalls wurden Straßen und Plätze im Reichsprotektorat nach Heydrich benannt. Nach Ende des Krieges wurden diese Namensverleihungen rückgängig gemacht.
 
Thomas Mann urteilte ungefähr zur selben Zeit in einer [[BBC]]-Radioansprache: Heydrichs Tod bezeichnete er als den „natürlichsten Tod“, den ein „Bluthund wie er“ habe sterben können. Denn „wohin dieser Mordknecht kam, floß das Blut in Strömen. Überall, auch in Deutschland, hieß er schlecht und recht: der Henker. Nun, er ist ermordet worden. Und wie nehmen die Nazis das auf? Sie fallen in Krämpfe. Sie stellen sich buchstäblich an, als sei die unfaßlichste Missetat geschehen, als sei der Menschheit Höchstes angetastet […] und ein anderer Metzgermeister [Himmler] sagt ihm am Grabe nach, er sei eine reine Seele und ein Mensch von hohem [[Humanität]]sgefühl gewesen. Das alles ist verrückt&nbsp;…“<ref>Thomas Mann in einer deutschsprachigen Radiosendung der BBC, zitiert nach: Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 342.</ref>
 
== Persönlichkeit und Rezeption ==
Für viele seiner Zeitgenossen verkörperte Heydrich den Inbegriff des „[[Arier]]s“ – blond, schlank und großgewachsengroß gewachsen. Von seiner auffallend hohen Stimme, die ihm den Spottnamen „Ziege“ einbrachte, gibt es trotz der hohen Positionen, die er einnahm, nur wenige Tonbandaufzeichnungen<ref>[https://archive.org/details/19411217SSObergruppenfhrerReinhardHeydrichRedeZurTagungD.SSdosteuropaGesellschaf archive.org], Tondokument einer Rede Heydrichs.</ref>. Dazu war er ein sportlicher Mann und ein fähiger Sportfechter, der an nationalen und internationalen Turnieren teilnahm und bei den deutschen Fechtmeisterschaften 1938 den 10.zehnten Platz im [[Fechten|Säbelfechten]] belegte und in der gleichen Disziplin mit der Sportgemeinschaft SS Berlin Vizemeister im Mannschaftskampf wurde.<ref>Mario E. Dederichs: ''Heydrich. Das Gesicht des Bösen''. München 2005, S. 170–173. Berno Bahro: ''Sporthelden der SS – Reinhard Heydrich und [[Hermann Fegelein]].'' In: [[Arnd Krüger]], [[Swantje Scharenberg]] (Hrsg.): ''Zeiten für Helden – Zeiten für Berühmtheiten im Sport.'' LIT, Berlin 2014, ISBN 978-3-643-12498-2, S.&nbsp;65–91.</ref>
Wenn es nach seinem Vater gegangen wäre, hätte er Musiker werden sollen. Heydrich lernte schon früh Klavier und Violine, die er virtuos beherrschte.<ref>Mario E. Dederichs: ''Heydrich. Das Gesicht des Bösen''. München 2005, S. 32.</ref> In der Öffentlichkeit präsentierte er sich, besonders in seiner Prager Zeit, als fürsorglicher Familienvater.
 
Heydrich galt als Machtmensch und leistete als rechte Hand Himmlers wichtige Arbeiten bei der Integration der Politischen Polizei in den Apparat der NSDAP. Einige Historiker vertreten die These, der im Grunde kleinbürgerliche Himmler mit seinem Hang zur [[Esoterik]] hätte ohne den scharfsinnig planenden und entschlossen handelnden Heydrich in dem von Intrigen bestimmten internen Machtkampf der verschiedenen Gruppen in der NSDAP nicht bestehen können. „HHhH – Himmlers Hirn heißt Heydrich“ soll der ehemalige preußische Innenminister und spätere [[Reichsmarschall]] Hermann Göring über seine Konkurrenten gewitzelt haben, die ihm Stück für Stück die Hoheit über Polizei und Sicherheitsdienste streitig machten.
Diese mehrfach kolportierte Sottise,<ref>[[Helmut Heiber]]: ''Reichsführer! Briefe an und von Himmler''. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1968, S.&nbsp;20ff; Günther Deschner: ''Reinhard Heydrich. Statthalter der totalen Macht. Biographie''. Bechtle, Esslingen 1977, ISBN 3-7628-0381-1, S.&nbsp;11; [[Guido Knopp]]: ''Die SS. Eine Warnung der Geschichte''. Goldmann, München 2003, ISBN 3-442-15252-6, S.&nbsp;12, 146.</ref> die der französische Schriftsteller [[Laurent Binet]] 2010 zum Titel seines Romans ''[[HHhH]]'' über das Attentat auf Heydrich machte,<ref>Laurent Binet: ''HHhH. Himmlers Hirn heißt Heydrich''. Rowohlt, Berlin 2011 (Erstausgabe Paris 2010), ISBN 978-2-253-15734-2.</ref> wurde zuerst von dem Rechtsanwalt und Schriftsteller [[Carl Haensel]] verbreitet.
Dieser behauptete 1950 in seinen Memoiren, Göring habe 1946 in der [[Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher|Nürnberger Untersuchungshaft]] zu ihm gesagt: „Sie kennen Himmler nicht. Natürlich nicht. Wissen Sie, er war abgründig dumm. Sein Gehirn hieß Heydrich.“<ref>Carl Haensel: ''Das Gericht vertagt sich. Aus dem Tagebuch eines Nürnberger Verteidigers''. Claasen, Hamburg 1950, S.&nbsp;61.</ref> Die Biographen von Himmler und Heydrich, die Historiker [[Peter Longerich]] und Robert Gerwarth, erwähnten das Göring-Zitat allerdings nicht.<ref>Peter Longerich: ''Heinrich Himmler. Biographie''. Pantheon, München 2010 (zuerst Siedler, München 2008), ISBN 978-3-570-55122-6; Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011.</ref> Longerich betonte:
 
{{Zitat|Text=Himmler war sich der Loyalität Heydrichs stets sicher gewesen, auch wenn durch den Auftrag Hitlers an Heydrich, die ‚Endlösung‘ vorzubereiten, eine zweite Befehlslinie neben der allgemeinen Zuständigkeit Himmlers für die Bekämpfung aller [[Reichsfeinde]] etabliert worden war. Diese konkurrierenden Befehlsverhältnisse scheinen jedoch nicht zu einer gravierenden Rivalität zwischen Himmler und Heydrich geführt zu haben. Im Gegenteil: Himmler sah sich durch die Ermordung seines Mitstreiters zunächst und vor allem in seiner eigenen Macht getroffen.|ref=<ref>Peter Longerich: ''Heinrich Himmler. Biographie''. Pantheon, München 2010, S. 589.</ref>}}
{{Zitat
|Text=Himmler war sich der Loyalität Heydrichs stets sicher gewesen, auch wenn durch den Auftrag Hitlers an Heydrich, die ‚Endlösung‘ vorzubereiten, eine zweite Befehlslinie neben der allgemeinen Zuständigkeit Himmlers für die Bekämpfung aller Reichsfeinde etabliert worden war. Diese konkurrierenden Befehlsverhältnisse scheinen jedoch nicht zu einer gravierenden Rivalität zwischen Himmler und Heydrich geführt zu haben. Im Gegenteil: Himmler sah sich durch die Ermordung seines Mitstreiters zunächst und vor allem in seiner eigenen Macht getroffen.
|ref=<ref>Peter Longerich: ''Heinrich Himmler. Biographie''. Pantheon, München 2010, S. 589.</ref>}}
 
Heydrich, der den [[Politischer Katholizismus|politischen Katholizismus]] neben den Juden für den Hauptfeind des Nationalsozialismus hielt, spielte sogar mit dem Gedanken, die katholische Kirche durch Einschleusung junger Nationalsozialisten in die Priesterseminare zu unterwandern. Daneben galten ihm auch die [[Freimaurerei|Freimaurer]] als sehr gefährliche Gegner, die, falls sie im Ringen mit dem Nationalsozialismus die Oberhand gewännen, „Orgien der Grausamkeit“ feiern würden, mit denen verglichen „die Strenge Adolf Hitlers sehr maßvoll erscheinen“ werde. In der Berliner [[Prinz-Albrecht-Straße]] hatte er in einem fensterlosen, schwarz ausgekleideten Saal ein „Museum der Freimaurer“ eingerichtet, in dem allerlei Kultgegenstände der Freimaurer von einem violetten Licht beleuchtet wurden.<ref>Carl Jacob Burckhardt: ''Meine Danziger Mission 1937–1939.'' dtv, München 1962, S. 53 ff. Zit. n. Mario R. Dederichs: ''Heydrich. Das Gesicht des Bösen.'' München 2005, S.&nbsp;97.</ref>
 
Wenn er sich ablenken wollte, verabredete Heydrich sich angeblich mit engsten Mitarbeitern wie dem jungen SD-Auslandschef [[Walter Schellenberg (SS-Mitglied)|Walter Schellenberg]] zu nächtlichen Streifzügen durch Berliner Bars und Bordelle. In einer Kneipe lachten ihn einmal Gäste, die ihn nicht kannten, sogar aus, als er schrie: „Ich bin der Chef der Gestapo! Ich bin Heydrich! Ich kann euch alle ins Konzentrationslager schicken!“<ref>Shlomo Aronson: ''Reinhard Heydrich und die Frühgeschichte von Gestapo und SD.'' DVA, Stuttgart 1971, S.&nbsp;254. Zit. n. Mario E. Dederichs: ''Heydrich. Das Gesicht des Bösen.'' München 2005, S.&nbsp;100.</ref> Derartige Darstellungen basieren aber, so der Historiker [[Robert Gerwarth]], ausschließlich auf Behauptungen Schellenbergs nach dem Krieg und auf Gerüchten.
Robert Gerwarths Biographie von 2011 zufolge war Heydrich als junger Offizier ein noch eher wenig politischer Einzelgänger, und als er sich nach seiner Entlassung aus der Offizierslaufbahn 1931 „auf Druck seiner Verlobten“ um eine „zweite Karriere in Uniform“ bei der „damals noch winzigen SS“ in München bemühte, noch kein ideologisch gefestigter Nationalsozialist.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 13, 352.</ref>
Doch unter dem Einfluss seiner Ehefrau Lina, schon mit 19 &nbsp;Jahren eine überzeugte Nationalsozialistin, übernahm er sehr schnell die ideologischen Prämissen seines politischen Mentors Himmler, entwickelte sich zu „eine[m] der radikalsten Verfechter der nationalsozialistischen Weltanschauung und ihrer Verwirklichung durch rigide und immer ausgedehntere Verfolgungsmaßnahmen“, zum „selbstbewusst auftretenden und ideologisch gefestigten Leiter des RSHA und zum Organisator des Holocaust“.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 12 f., 352.</ref> Dabei sah der außergewöhnlich „‚begabte‘ Organisator des Terrors“, Heydrich, sich selbst in erster Linie als „Tatmensch“, weniger als „Visionär“ wie Hitler und Himmler.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 352.</ref>
 
== FamiliäresEhe und Familie ==
 
Heydrich war ab Dezember 1931 mit der glühenden Nationalsozialistin [[Lina Heydrich|Lina Mathilde von Osten]] verheiratet. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor: Klaus (*&nbsp;17. Juni 1933, der am 24. Oktober 1943 bei einem Verkehrsunfall starb), Heider (*&nbsp;23. Dezember 1934), Silke (*&nbsp;9. April 1939) und Marte (*&nbsp;23. Juli 1942).<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie.'' Siedler, München 2011, S. 17, 103, 108f., 142, 146, 234, 338 u. 349f. (zu den Kindern).</ref>
Am 26. Dezember 1931 heiratete Heydrich in Großenbrode [[Lina Heydrich|Lina Mathilde von Osten]] (1911–1985), die eine glühende Nationalsozialistin war. Die kirchliche Trauung fand in der evangelischen Dorfkirche Sankt Katharinen statt.
 
Heydrich war ab Dezember 1931 mit der glühenden Nationalsozialistin [[Lina Heydrich|Lina Mathilde von Osten]] verheiratet. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor: Klaus (*&nbsp;17. &nbsp;Juni 1933, der am 24. &nbsp;Oktober 1943 bei einem Verkehrsunfall starb), Heider (*&nbsp;23. &nbsp;Dezember 1934), Silke (*&nbsp;9. &nbsp;April 1939) und Marte (*&nbsp;23. &nbsp;Juli 1942).<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie.'' Siedler, München 2011, S. 17, 103, 108f., 142, 146, 234, 338 u. 349f. (zu den Kindern).</ref> Der ursprüngliche Patenonkel von Heydrichs 1933 geborenem ersten Kind Klaus war der 1934 unter Mitbetreiben von Heydrich ermordete Stabschef der SA [[Ernst Röhm]].<ref>Hellmut G. Haasis: ''Tod in Prag: das Attentat auf Reinhard Heydrich'', 2002, S. 15.</ref>
 
=== Angebliche jüdische Abstammung ===
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{{Hauptartikel|Lina Heydrich#Hinterbliebenenversorgung|titel1=Lina Heydrich: Hinterbliebenenversorgung}}
 
Nachdem die Bundesrepublik Deutschland der Witwe Lina Heydrich (1911–1985) zunächst wegen der Verbrechen ihres Mannes das Anrecht auf eine Witwenrente abgesprochen hatte, prozessierte diese 1956 bis 1959 erfolgreich. Trotz „der führende[n] Rolle ihres verstorbenen Mannes bei der Judenvernichtung […] erging ein Gerichtsbeschluss, der ihr die Rente einer Generalswitwe zubilligte, deren Mann im Kampf gefallen war“, die sie bis zu ihrem Tod 1985 erhielt.<ref name="ReferenceA">Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 350.</ref>
 
Die gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Rente führten 1958 unter der Kanzlerschaft [[Konrad Adenauer]]s zu einer [[Kabinett Adenauer III|Kabinettserörterung]] und einer [[Große Anfrage|Großen Anfrage]] der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] im [[Bundestag]].<ref>Ulrich Enders: ''Rechts- und Innenpolitik''. In: Hartmut Weber (Hrsg.): ''Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung. Band 11: 1958''. Oldenbourg Verlag, München 2002 ([http://www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/1000/k/k1958k/kap1_1/para2_10.html bundesarchiv.de]). Dort auch die Protokolle der Kabinettssitzungen vom [http://www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/1000/k/k1958k/kap1_2/kap2_28/para3_9.html 3. September 1958], [http://www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/1000/k/k1958k/kap1_2/kap2_40/para3_3.html 3. Dezember 1958] und [http://www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0001/k/k1959k/kap1_2/kap2_1/para3_5.html 14. Januar 1959].</ref>
 
„Als wollte sie den Staatsanwalt und die deutschen Medien verhöhnen, die das Urteil des Gerichts empört kritisiert hatten“, so der Historiker [[Robert Gerwarth]], „wählte Lina Heydrich als Titel für ihre 1976 publizierten Memoiren ‚Leben mit einem Kriegsverbrecher‘“.<ref>[https://www.spiegel.de/geschichte/heydrich-biografie-a-949446.html ''„Abstoßend ist vor allem seine antrainierte Kälte.“''] Interview mit Robert Gerwarth. [[einestages]], 21. September 2011; es handelt sich um die Schrift Lina Heydrich: ''Leben mit einem Kriegsverbrecher''. Mit Kommentaren von [[Werner Maser]], Verlag W. Ludwig, Pfaffenhoferbeiten 1976, ISBN 3-7787-1025-7.</ref>
Die Witwe – die in ihrer Zeit in Prag jüdische [[NS-Zwangsarbeit#Betroffene Gruppen|Zwangsarbeiter]], die in ihrem Garten zu arbeiten hatten, selber beleidigt und schikaniert hatte und vom Aufseher auch hatte peitschen lassen (bevor sie gegen Nichtjuden ausgetauscht und in die [[Vernichtungslager]] deportiert wurden)<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 349.</ref> – betrieb nun auf der Ostseeinsel [[Fehmarn]] die Pension „Imbria Parva“, die häufig „ehemalige SS-Kameraden ihres Mannes zu Wiedersehensfeiern“ beherbergte, die dort „Erinnerungen an ‚bessere Zeiten‘ austauschten“.<ref>Robert Gerwarth: ''Reinhard Heydrich. Biographie''. Siedler, München 2011, S. 350.<name="ReferenceA"/ref>
 
== Publikationen ==
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* [[Douglas Sirk]] (Regie): ''[[Hitler’s Madman]]'', USA 1943, 84 Min., mit [[John Carradine]] als Heydrich.
* ''[[Canaris (Film)|Canaris]]'', D 1954, Regie: [[Alfred Weidenmann]] mit [[Martin Held]] als Heydrich (Bundesfilmpreis, Filmband in Gold).
* ''[[Das Attentat (1964)|Atentát]]'', ČSSR 1964, Regie: [[Jiří Sequens]] mit [[Siegfried Loyda]] als Heydrich.
* ''[[Operation Daybreak]]'' (deutsch „Das Sonderkommando“), USA 1976, mit [[Anton Diffring]] als Heydrich.
* ''[[Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss]]'', USA 1978, vierteilige Fernsehserie mit [[David Warner]] als Heydrich.
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* ''[[Die Wannseekonferenz (2001)|Conspiracy]]'', Vereinigtes Königreich 2000, mit [[Kenneth Branagh]] als Heydrich (deutsch „Die Wannseekonferenz“, 2001).
* ''[[Lidice (2011)|Lidice]]'', Tschechien 2011
* ''[[Operation Anthropoid (Film)|Operation Anthropoid]]'', Großbritannien 2016, Regie [[Sean Ellis]], mit [[Detlef Bothe]] als Heydrich.
* ''[[Die Macht des Bösen (2017)|Die Macht des Bösen]]'', Frankreich 2017, mit [[Jason Clarke (Schauspieler)|Jason Clarke]] als Heydrich (nach dem historischen Roman [[HHhH]] von Laurent Binet).
* ''[[The Man in the High Castle (Fernsehserie)|The Man in the High Castle]]'', USA 2015/2016, mit Ray Proscia
* ''[[Die Wannseekonferenz (2022)|Die Wannseekonferenz]]'', Deutschland 2022, Regie: [[Matti Geschonneck]], mit [[Philipp Hochmair]] als Heydrich.
 
* Heydrichs Jahre 1938–42 sind Thema von [[Petr Manteuffel]]s Roman ''Der Mann, der die Frauen-Europameisterschaft gewann''. Hier wird seine Auseinandersetzung mit dem Fall des/der Hochspringers/in Dora/Heinrich Ratjen geschildert sowie das Attentat in Prag und Heydrichs Sterben im Krankenhaus Na Bulovce. Klak Verlag Berlin 2023, ISBN 978-3-948156-72-5
 
== Archivarische Überlieferung ==
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* [[Joachim Fest]]: ''Reinhard Heydrich. Der Nachfolger.'' In: Ders.: ''Das Gesicht des Dritten Reiches. Profile einer totalitären Herrschaft.'' 10. Auflage, Piper, München 1993, ISBN 3-492-11842-9, S. 139–155.
* {{NDB|9|73|74|Reinhard Heydrich|[[Wolfgang Scheffler (Historiker)|Wolfgang Scheffler]]|118550640}}
* Walter Riccius, Reinhard Heydrich: Als Offizier der Marine "unwürdig"„unwürdig“, Neuhauser Werkstatt-Nachrichten, Historische Zeitschrift für Neuhausen, Nymphenburg und Gern, Heft 48, Jahrgang 2022, S. 54ff.
* Charles Sydnor: ''Reinhard Heydrich – Der „ideale Nationalsozialist“.'' In: Ronald Smelser, Enrico Syring (Hrsg.): ''Die SS. Elite unter dem Totenkopf.'' Schöningh, Paderborn 2000, ISBN 3-506-78562-1, S. 208–219.
* Die Teilnehmer. Die Männer der Wannsee-Konferenz, Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannseekonferenz (Hrsg.) Metropol Verlag Berlin, 2024, S. 63ff.
 
'''Publikationen speziell zum Attentat auf Heydrich''':
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* [[Miroslav Kárný]], Jaroslava Milotová, Margita Karná (Hrsg.): ''Deutsche Politik im „Protektorat Böhmen und Mähren“ unter Reinhard Heydrich 1941–1942. Eine Dokumentation.'' Metropol, Berlin 1997, ISBN 3-926893-44-3.
* Andreas Wiedemann: ''Die Reinhard-Heydrich-Stiftung in Prag 1942–1945.'' Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung, Dresden 2000, ISBN 3-931648-31-1 ([http://hait.tu-dresden.de/dok/bst/Heft_28_Wiedemann.pdf PDF; 943&nbsp;kB]).
 
== Dokumentarfilme ==
* [[zdf.de]] / [[Terra X]] (2023): [https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/herrenmensch-heydrich-webvideo-100.html ''Herrenmensch Heydrich''] (17 min)
* [[ZDFinfo]] (2022): [https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/die-ss-macht-und-mythos-heydrich-100.html ''Heydrich''] (Teil 3/6 der Reihe ''Die SS – Macht und Mythos''). 44 min, FSK 12.
 
== Weblinks ==
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{{SORTIERUNG:Heydrich, Reinhard}}
[[Kategorie:Reinhard Heydrich| ]]
[[Kategorie:Hermann Göring]]
[[Kategorie:Freikorps-Mitglied]]
[[Kategorie:Militärperson (Reichsmarine)]]
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[[Kategorie:Preußischer Staatsrat (ab 1933)]]
[[Kategorie:Gestapo-Personal]]
[[Kategorie:HermannFechter Göring(Deutschland)]]
[[Kategorie:Täter des Porajmos]]
[[Kategorie:Person der Anti-Freimaurerei]]