Baranawitschy bzw. Baranowitschi (belarussisch Баранавічы Baranawitschy, russisch Барановичи Baranowitschi, polnisch Baranowicze, deutsch Baronenwald) ist eine Stadt mit 168.900 Einwohnern (2009) im Westen von Belarus in der Breszkaja Woblasz an der Ost-West-Hauptverkehrsachse des Landes, Zentrum des Rajons Baranawitschy.

Baranawitschy / Baranowitschi
Баранавічы / Барановичи
(belarus.) / (russisch)
Wappen
Wappen
Wappen
Flagge
Flagge
Flagge
Staat: Belarus Belarus
Woblasz: Brest
Gegründet: 1627
Koordinaten: 53° 8′ N, 26° 1′ OKoordinaten: 53° 8′ N, 26° 1′ O
Höhe: 193 m
Fläche: 55 km²
 
Einwohner: 168.900 (2009)
Bevölkerungsdichte: 3.071 Einwohner je km²
Zeitzone: Moskauer Zeit (UTC+3)
Telefonvorwahl: (+375) 0163
Postleitzahl: 225401–225416
Kfz-Kennzeichen: 1
 
Webpräsenz:
Baranawitschy (Belarus)
Baranawitschy (Belarus)
Baranawitschy
Uhrenturm
Ein Denkmal mit einer Mittelstreckenrakete vom Typ R-12 (SS-4)

Geschichte

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Baranawitschy entstand in den 1870er Jahren als wichtiger Eisenbahnknotenpunkt (offizielles Gründungsjahr: 1871) im westlichen Teil des Russischen Reichs und verfügt bis heute über zwei Bahnhöfe für den Regional- und Fernverkehr (Baranawitschy Zentralnyje; Baranawitschy Palesskije). Zu Beginn des Ersten Weltkrieges befand sich in Baranawitschy das Hauptquartier des russischen Generalstabes, von dem aus die Operationen der russischen Armee im ersten Kriegsjahr befehligt wurden. Nach dem Großen Rückzug im Spätsommer 1915 lag die Stadt an der Front. Im Juni 1916 wurde die weitere Umgebung der Stadt im Zusammenhang mit der Schlacht von Baranowitschi vom 2. bis 29. Juli Schauplatz einer der größten Schlachten des Krieges (Сражение под Барановичами), die innerhalb weniger Tage fast 100.000 Soldaten das Leben kostete. Zwischen den Weltkriegen gehörte die Stadt zur polnischen Woiwodschaft Nowogródek und wurde bis zum Zweiten Weltkrieg mehrheitlich von Polen und Juden bewohnt.

Deutsche Besatzungszeit

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Denkmal für die ermordeten Juden vor dem Eingang des Ghettos

Im Gegensatz zu umliegenden Gemeinden konnten die meisten Juden in Baranawitschy trotz einiger Massenerschießungen das Jahr 1941 überleben, weil in der Stadt Arbeitskräfte benötigt wurden. Unmittelbar nach Beginn der deutschen Besatzung wurden die Juden in ein Ghetto umgesiedelt, das im Dezember 1941 mit drei Reihen Stacheldraht umzäunt und somit zu einem Sammellager für Deportationen umfunktioniert wurde. Es standen lediglich sechzig Häuser für 12.000 bis 15.000 Personen zur Verfügung. Die Lebensmittelversorgung war unzureichend. Die beschäftigten Zwangsarbeiter erhielten nicht mehr als 200 Gramm Brot am Tag und ein Kilogramm Grütze im Monat. Aufgrund der schlechten hygienischen Zustände kam es zu einer Typhusepidemie, die von den Besatzern geheim gehalten und erfolgreich bekämpft werden konnte. Die Angst vor der Ausbreitung von Seuchen gilt als wichtiger Impuls für den Generalkommissar Wilhelm Kube, die Wiederaufnahme von Massenmorden im Frühjahr 1942 zu befehlen. Am 3. und 4. März wurde das Ghetto von Angehörigen der Sicherheitspolizei unter Leitung des Kommandeurs der SD Baranawitschy umstellt, die über 2.000 Menschen vor die Stadt transportierten, um sie zu erschießen. Zuvor wurden durch das Arbeitsamt sogenannte Lebensscheine an ungefähr 4.000 Juden ausgeteilt, die aufgrund ihrer Arbeitskraft benötigt und daher vorerst verschont wurden. Dazu gehörten 32 jüdische Ärzte des örtlichen Krankenhauses. Sie durften zunächst mit ihren Familien außerhalb des Ghettos wohnen, wurden jedoch im Frühjahr 1942 durch belarussische Ärzte aus dem Baltikum ersetzt, worauf jene entlassen, ins Ghetto geschickt und später ermordet wurden. Unmittelbar im Anschluss an die „Aktion Sumpffieber“ unter Leitung von SS-Obergruppenführer Friedrich Jeckeln wurden vom 22. September bis zum 1. Oktober 1942 im Ghetto Baranawitschy zwischen 3.000 und 7.000 Menschen ermordet. 3.000 stark benötigte Fachkräfte wurden am Leben gelassen. Im Dezember 1942 wurde das Ghetto liquidiert und die dort verbliebenen 3.000 Juden erschossen oder in Gaswagen ermordet. Insgesamt wurden in der Stadt zwischen 8.500 und 14.000 Menschen ermordet.[1] Hugo Armann, Hauptfeldwebel einer Einheit zur Organisation von Heimat-Urlaubstransporten, rettete im September 1942 zwei jüdische Menschen, indem er sie in seinem Haus versteckte und nach einigen Tagen mit Hilfe eines polnischen Partisanen das Abtauchen zu den Partisanen ermöglichte. Für diese Rettungstat wurde er im September 1985 als „Gerechter unter den Völkern“ von Yad Vashem geehrt.[2]

In Baranawitschy bestand das Kriegsgefangenenlager 410, Baranowitschi, für deutsche Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs.[3] Als Bürgermeister der Stadt wurde Jury Sabaleuski von den deutschen Besatzern ernannt, bis er im Herbst 1942 durch Aljaksandr Ruzak ersetzt wurde.[4]

Nachkriegszeit

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Baranawitschy war nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst Gebietshauptstadt der gleichnamigen Baranawizkaja Woblasz, gehört nach einer administrativen Neugliederung heute aber zur Breszkaja Woblasz.

Beschreibung: Das goldgerandete Wappen ist in Rot und Grün geteilt. Oben eine goldene Lokomotive einer Zahnradbahn mit drei gekuppelten Rädern und drei Schornsteine auf dem Kessel und unten ein goldener verknappter halber Zahnkranz.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

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Zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt zählt die alte orthodoxe Kirche (Свято-Покровский собор), in der sich ein Mosaik des Petersburger Meisters W. Frolow befindet. Dieses Mosaik war ursprünglich für die orthodoxe Newski-Kirche in Warschau bestimmt. Als die Kirche auf Beschluss der polnischen Regierung im Jahre 1920 jedoch abgerissen wurde, konnten Teile des Mosaiks gerettet und nach Baranawitschi ausgelagert werden, wo sie in der nach einem Brand (1921) neu errichteten Kirche angebracht wurden.

Unweit der orthodoxen Kirche befindet sich eine katholische Holzkirche, die Kreuzerhöhungskirche (Костел Воздвижения Святого Креста).

Die um 1900 erbaute Synagoge überstand den Zweiten Weltkrieg, wurde danach aber zu einem Wohnhaus umgebaut.

Im Dezember 2009 wurde im Norden der Stadt eine Eislaufhalle (Ледовый дворец) eröffnet.

Museen: Freilicht-Eisenbahnmuseum, Heimatmuseum. Das Denkmal einer Mittelstreckenrakete vom Typ R-12 (SS-4) (siehe Abbildungen) existiert nicht mehr.

Wirtschaft und Infrastruktur

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Wichtige Wirtschaftszweige sind vor allem Leichtindustrie, Maschinenbau und Lebensmittelproduktion.

Bildungswesen

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Baranawitschy verfügt seit 2004 über eine eigene Universität, die Staatliche Universität Baranawitschy, welche aus verschiedenen Fachschulen hervorgegangen ist. Neben den Fakultäten für Pädagogik, Fremdsprachen, Wirtschaft & Recht und Ingenieurwesen bestehen Abteilungen für Weiterbildung, Fernstudium und Vorbereitung auf die Uni. Die Universität bietet sowohl Präsenz- als auch Fernstudium an. Der Hauptcampus befindet sich in einer ehemaligen Kaserne, am Rand der Stadt wird jedoch ein neuer Campus gebaut. Auch wenn die meisten Namensschriftzüge belarussisch sind, so ist doch Russisch die dominierende Sprache der Universität. Universitätspartnerschaften pflegt die Universität vor allen Dingen zu Universitäten aus dem GUS-Raum.

Baranawitschy hat einen eigenen Autobahnanschluss an der Autobahn „M1“ BrestMinsk. Daneben ist die Stadt Bahnknotenpunkt an den Strecken Warschau–Minsk–Moskau und VilniusRiwneKiew.

Im Süden der Stadt gibt es den Militärflugplatz Baranawitschy, der von belarussischen und russischen Streitkräften genutzt wird.

Militär

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Siehe: Militärflugplatz Baranawitschy

Söhne und Töchter der Stadt

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Städtepartnerschaften

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Baranawitschy listet folgende 23 Partnerstädte auf:[5][6]

Stadt Land seit
Biała Podlaska   Polen  Lublin, Polen 2001
Čačak   Serbien  Moravica, Serbien 2013
Chibi, Xianning China Volksrepublik  Hubei, Volksrepublik China 1997
Ferrara   Italien  Emilia-Romagna, Italien 1998
Gdynia   Polen  Pommern, Polen 1993
Heinola   Finnland  Päijät-Häme, Finnland 1978
Jeisk   Russland  Krasnodar, Russland 2011
Jelgava   Lettland  Semgallen, Lettland 2003
Kaliningrad   Russland  Russland 2007
Karlowo   Bulgarien  Plowdiw, Bulgarien 1999
Kineschma   Russland  Iwanowo, Russland 2002
Konyaaltı Turkei  Antalya, Türkei 2007
Magadan   Russland  Dalnewostotschny Federalny Okrug, Russland 2018
Mytischtschi   Russland  Moskau, Russland 2000
Nacka   Schweden  Stockholm, Schweden 2005
Nowowolynsk   Ukraine  Wolyn, Ukraine 2003
Poltawa   Ukraine  Ukraine 2010
Šiauliai   Litauen  Litauen 2001
Solnzewo, Moskau   Russland  Russland 2007
Stockerau   Osterreich  Niederösterreich, Österreich 1989
Powiat Sulęciński   Polen  Lebus, Polen 2009
Thừa Thiên Huế Vietnam  Vietnam 2007
Tyresö   Schweden  Stockholm, Schweden 2008
Wassiljewski-Insel, Sankt Petersburg Russland  Russland 1998

Literatur

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  • Tamara Vershitskaya, Martin Dean: Baranowicze, in: Martin Dean (Ed.): The United States Holocaust Memorial Museum Encyclopedia of Camps and Ghettos, 1933–1945. Vol. 2, Ghettos in German-Occupied Eastern Europe : Part B. Bloomington : Indiana University Press, 2012, ISBN 978-0-253-00227-3, S. 1166–1168
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Commons: Baranawitschy – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Alexander Brakel: Unter Rotem Stern und Hakenkreuz. Baranowicze 1939 bis 1944. Das westliche Weißrussland unter sowjetischer und deutscher Besatzung. (= Zeitalter der Weltkriege. Band 5). Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn u. a. 2009, ISBN 978-3-506-76784-4, S. 103–106.
  2. Lexikon der Gerechten unter den Völkern, o. O.,o. J., S. 60
  3. Maschke, Erich (Hrsg.): Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, Verlag Ernst und Werner Gieseking, Bielefeld 1962–1977
  4. Alexander Brakel: Unter Rotem Stern und Hakenkreuz. Baranowicze 1939 bis 1944. Das westliche Weißrussland unter sowjetischer und deutscher Besatzung. (= Zeitalter der Weltkriege. Band 5). Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn u. a. 2009, ISBN 978-3-506-76784-4, S. 182.
  5. Города-побратимы (Zwillingsstädte). Stadt Baranowitschi und Bezirk Baranowitschi, Republik Weißrussland, abgerufen am 25. Januar 2024 (russisch).
  6. Двадцать три города-побратима Барановичей. Что мы о них знаем? — Барановичи. Intex-press — Новости Барановичского региона. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. Februar 2020; abgerufen am 22. November 2017.