Gallisches Sonderreich

Sonderreich, das zwischen 260 und 274 auf dem Gebiet der römischen Provinzen von Niedergermanien, Obergermanien, Rätien, Gallien, Britannien und Hispanien bestand
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Gallisches Sonderreich oder lateinisch Imperium Galliarum ist die moderne Bezeichnung für das Separat- oder Sonderreich, das in der Zeit der Reichskrise des 3. Jahrhunderts zwischen 260 und 274 auf dem Gebiet der römischen Provinzen von Niedergermanien, Obergermanien, Rätien, Gallien, Britannien und Hispanien bestand.

Das Imperium Galliarum zur Zeit seiner größten Ausdehnung

Überblick

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Manchmal wird dieses Sonderreich auch als gallorömisches Imperium bezeichnet. Obwohl der Beginn des Imperium Galliarum früher oft mit 259 angegeben wurde, wird mittlerweile allgemein angenommen, dass die Usurpation des Postumus, mit der das Sonderreich seinen Anfang nahm, erst im Sommer oder Herbst 260 stattfand. Diese Ansicht hat sich aufgrund der Inschrift des Augsburger Siegesaltars durchgesetzt, aus welcher man das genannte Datum erschließen kann. Wahrscheinlich besteht ein Zusammenhang mit der Niederlage des Kaisers Valerian, der im Frühsommer 260 in persische Gefangenschaft geriet. Das Ansehen seines Sohnes und Mitkaisers Gallienus scheint durch diese Katastrophe stark beschädigt worden zu sein.

Historischer Ablauf

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Die Truppe des Postumus hatte einen mit Beute beladenen fränkischen Plünderungstrupp auf dem Rückweg bei Köln gestellt. Die Beute wurde unter den römischen Soldaten aufgeteilt. Darüber kam es zum Konflikt mit dem legitimen Unterkaiser Saloninus, dem Sohn des Gallienus, und dessen Prätorianerpräfekt Silvanus, die die Beute zugunsten der Staatskasse einforderten. Daraufhin ließ sich Postumus von seinen meuternden Männern zum Augustus ausrufen und belagerte Köln, wohin sich Saloninus und seine Truppen geflüchtet hatten. Die Stadt wurde von Postumus erobert und diente ihm fortan als Regierungssitz. Saloninus und Silvanus wurden gefangen genommen und kurz darauf ermordet.

Bemerkenswert ist, dass Postumus im Anschluss nicht versucht zu haben scheint, die Herrschaft über das gesamte Römische Reich zu erringen, sondern sich auf das westliche Drittel beschränkte. Hier schuf er eine eigene staatliche Infrastruktur: Das Reich hatte seine eigenen Konsuln, deren Namen aber nicht durchgängig überliefert sind, und möglicherweise auch einen eigenen Senat. Die Etablierung dieses gallischen Sonderreiches stellte eine direkte Konsequenz aus der zeitweiligen Unfähigkeit der römischen Zentralregierung dar, die Westprovinzen zu befrieden. Tatsächlich konnten die „gallischen Kaiser“ diese Aufgabe weitgehend erfüllen; die Abspaltung gestattet es auch, gewisse Rückschlüsse hinsichtlich des Selbstbewusstseins der nordwestlichen Provinzen zu ziehen. 265 scheiterte ein Versuch des Gallienus, Postumus militärisch zu bezwingen; nur Raetia geriet wieder unter die Kontrolle der Zentralregierung.

Gallienus wurde 268 von seinen eigenen Offizieren ermordet. Im Frühjahr 269 wurde auch Postumus getötet, nachdem er einen Usurpationsversuch in Mainz niedergeschlagen, aber die Plünderung der Stadt untersagt hatte. Danach verlor das Imperium Galliarum an Stabilität. Im Herbst 273 machte sich schließlich der römische Kaiser Aurelian daran, den Westen des Reiches zurückzuerobern, nachdem er im Osten bereits erfolgreich gewesen war. Der letzte Herrscher des geschrumpften gallischen Sonderreiches, Tetricus, zog mit seiner Armee von seiner Residenz Trier (Augusta Treverorum) nach Süden, um auf Aurelian zu treffen, der mit seinem Heer auf dem Weg nach Nordgallien war. Die Entscheidungsschlacht fand im Februar oder März 274 in der Nähe von Châlons-en-Champagne statt. Es ist ungeklärt, ob Tetricus und sein Sohn Tetricus kapitulierten oder vor dem Kampf zu Aurelian überliefen. Ihre Truppen wurden jedenfalls unter hohen Verlusten von Aurelians Armee geschlagen. Tetricus und sein Sohn wurden 274 offenbar im Triumphzug des Aurelian in Rom vorgeführt (so berichtet zumindest die Historia Augusta), ihr Leben aber verschont.

Die Kaiser und Usurpatoren des gallischen Sonderreiches sind in erster Linie durch die Münzen, die sie geprägt haben, bekannt.

Soziologische Begleiterscheinungen

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Im Umland von Köln sind reiche Gräber bekannt geworden, die in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts datieren. Es handelt sich durchwegs um Frauen, die in Steinsärgen begraben wurden und Beigaben aus Gold, Bernstein und andere außergewöhnliche Objekte erhielten. Die zeitliche und regionale Häufung in der Zeit des Imperium Galliarum wird damit in Zusammenhang gebracht, dass manche Familien (städtische Oberschicht aus Köln, Offiziere) von der neuen politischen Situation profitierten und dies auch bei den Grabausstattungen zeigen wollten.

Liste der Kaiser des Imperium Galliarum

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Name Vollständiger Name Regierungszeit Anmerkungen
Postumus Marcus Cassianius Latinius Postumus 260–269 beseitigte Saloninus; angeblicher Caesar und Mitkaiser: Postumus II.
Laelianus Ulpius Corneli(an)us Laelianus 269 Gegenkaiser in Obergermanien
Marius Marcus Aurelius Marius 269 durch Victoria (?)
Victorinus Marcus Piavonius Victorinus 269–271 gegen Marius (?); Regentin: Victoria (271); angeblicher Caesar: Victorinus II.
Domitianus unbekannt 271? Gegenkaiser in Nordgallien (?)
Tetricus I. Gaius Pius Esuvius Tetricus 271–274 gegen Domitianus (?, durch Victoria); von Aurelian abgesetzt
Tetricus II. Gaius Pius Esuvius Tetricus 272/73–274 Unterkaiser seines Vaters Tetricus I.
Faustinus unbekannt 273/74 Usurpator in Nordgallien
Legende
Farbe Bedeutung
Unterkaiser oder Mitregent
Gegenkaiser

Siehe auch

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Literatur

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  • Lothar Bakker: Der Augsburger Siegesaltar. In: Badischen Landesmuseum Karlsruhe (Hrsg.): Imperium Romanum. Römer, Christen, Alamannen. Die Spätantike am Oberrhein. Theiss, Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-1954-0, S. 96–101.
  • John F. Drinkwater: The Gallic Empire. Separatism and Continuity in the North-Western Provinces of the Roman Empire A.D. 260–274 (= Historia Einzelschriften. Band 52). Steiner, Stuttgart 1987, ISBN 3-515-04806-5.
  • Georg Elmer: Die Münzprägung der gallischen Kaiser von Postumus bis Tetricus in Köln, Trier und Mailand. In: Bonner Jahrbücher. Band 146, 1941, S. 1–106 (Digitalisat).
  • Thomas Fischer (Hrsg.): Die Krise des 3. Jahrhunderts n. Chr. und das Gallische Sonderreich. Akten des Interdisziplinären Kolloquiums Xanten 26. bis 28. Februar 2009 (= ZAKMIRA-Schriften. Band 8). Reichert, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-89500-889-4.
  • Raymund Gottschalk: Zur spätrömischen Grabkultur im Kölner Umland. Zwei Bestattungsareale in Hürth-Hermülheim. Erster Teil. Die Gräber und ihre Befunde Bonner Jahrbücher 207, 2007, S. 211–298 (zu den reichen Gräbern des 3. Jahrhunderts und ihrem Bezug zum Imperium Galliarum S. 227–241; online).
  • Ingemar König: Die gallischen Usurpatoren von Postumus bis Tetricus (= Vestigia. Band 31). C.H. Beck, München 1981, ISBN 3-406-04801-3.
  • Jean Lafaurie: L’Empire gaulois. Apport de la numismatique. In: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. Reihe II, Band 2, de Gruyter, Berlin/New York 1975, ISBN 3-11-004971-6, S. 853–1012, doi:10.1515/9783110830880-026.
  • Andreas Luther: Das gallische Sonderreich. In: Klaus-Peter Johne (Hrsg.): Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr. (235–284). Band 1, Akademie Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-05-004529-0, S. 325–341.
  • Bernhard Schulte: Die Goldprägung der gallischen Kaiser von Postumus bis Tetricus. Sauerländer, Aarau u. a. 1983, ISBN 3-7941-2346-8 (zugleich Dissertation, Universität Münster 1977/1978).
  • Heinz-Joachim Schulzki: Die Antoninianprägung der gallischen Kaiser von Postumus bis Tetricus (AGK). Typenkatalog der regulären und nachgeprägten Münzen (= Antiquitas. Reihe 3, Band 35). Habelt, Bonn 1996, ISBN 3-7749-2711-1.
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