„Diagnosis ex juvantibus“ – Versionsunterschied

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'''Diagnosis ex juvantibus''' ist ein [[latein]]ischer Ausdruck für deutsch: ''„Klärung der [[Diagnose]] vom Heilerfolg her“''. Damit ist gemeint, dass durch die Wahl der Therapie und durch den eventuell auftretenden Heilerfolg auf die Krankheitsursache geschlossen wird.<ref name="WBM" />
'''Diagnosis ex juvantibus''' (von lat. ''iuvans'' = helfend, "aus dem Helfenden / den helfenden Dingen heraus") ist ein [[latein]]ischer Ausdruck für deutsch: „Klärung der [[Diagnose]] vom Heilerfolg her“. Damit ist gemeint, dass durch die Wahl der Therapie und durch den eventuell auftretenden Heilerfolg auf die Krankheitsursache geschlossen wird.<ref name="WBM" /><ref>[[Pschyrembel (Medizinisches Wörterbuch)|Pschyrembel-online]]: ''[https://www.pschyrembel.de/ex%20juvantibus/K07CQ/doc/ ex juvantibus].'' Auf: ''pschyrembel.de''; zuletzt abgerufen am 8. November 2022.</ref>
{{Belege fehlen}}

Der Ausdruck ''Ex non juvantibus'' wird in Situationen angewendet, in denen eine in der Regel zum Abklingen der jeweiligen Symptomatik führende Therapie keinen Erfolg zeigt.
Der Ausdruck ''Ex non juvantibus'' wird in Situationen angewendet, in denen eine in der Regel zum Abklingen der jeweiligen Symptomatik führende Therapie keinen Erfolg zeigt.


Das Prinzip „Diagnosis ex juvantibus“ stellt ein nosologisches [[Nosologie#Kriterien der Klassifikation|Kriterium der Klassifikation]] neben anderen dar, wie etwa klinisches Bild, [[Pathologie]], [[Krankheitsverlauf]] etc.
Das Prinzip „Diagnosis ex juvantibus“ stellt ein [[Nosologie#Kriterien|nosologisches Kriterium der Klassifikation]] neben anderen dar, wie etwa klinisches Bild, [[Pathologie]], [[Krankheitsverlauf]] etc.

In der Diskussion um die [[Alternativmedizin]] (wie [[Handauflegen]], [[Homöopathie]]) ist die ''Diagnosis ex juvantibus'' durchaus von Belang, da Befürworter mit der Begründung „Wer heilt, hat recht“ oft auf (angebliche) Behandlungserfolge verweisen.


== Beispiele ==
== Beispiele ==
* Wenn Symptome nach Gabe eines Vitamins zurückgehen, kann die Diagnose [[Vitaminmangel]] gestellt werden.
* Die Gabe einer Zuckerlösung bei Verdacht auf eine [[Hypoglykämie|Unterzuckerung]] bei Diabetikern.
* Wenn bei Verdacht auf [[Hypoglykämie|Unterzuckerung]] (z. B. bei Diabetes) Symptome nach Gabe einer Zuckerlösung verschwinden, kann auf Unterzuckerung als Ursache geschlossen werden.
* Die Diagnose eines durch [[Alkoholentzug]] bedingten [[Delirium tremens]] kann selten durch die Gabe von Alkohol erfolgen, da dann die Symptome verschwinden. Meist ist das Delirium tremens durch Alkoholgabe nicht zu beenden. Ähnliches gilt für die teils dramatischen [[Entzugssyndrom|Entzugserscheinungen]] bei Opiat[[Abhängigkeitssyndrom|abhängigkeit]], die durch Verabreichung von [[Morphin]] binnen Sekunden völlig zum Verschwinden gebracht werden können. (Wobei es durch die Gabe der Substanzen selbstverständlich zu keiner Heilung der Suchtproblematik kommt, sondern nur zu einer „Heilung“ der Entzugssymptomatik).
* Die Diagnose von [[Intoxikation]]en ([[Benzodiazepine]], [[Opiat]]e) kann gestellt werden, indem man die entsprechenden Gegenmittel verabreicht (bei Opiaten z.&nbsp;B. [[Naloxon]]).
* Die Diagnose von [[Intoxikation]]en ([[Benzodiazepine]], [[Opioid]]e) kann gestellt werden, wenn die entsprechenden Gegenmittel (bei Opioiden z.&nbsp;B. [[Naloxon]]) Wirkung zeigen.
* Der quälende Bewegungsdrang beim [[Restless-Legs-Syndrom]] bessert sich in kürzester Zeit dramatisch durch die Gabe von [[Levodopa]] oder die Applikation von [[Apomorphin]].
* Wenn bei unbeherrschbarem Bewegungsdrang und Missempfindungen in den Beinen Verdacht auf [[Restless-Legs-Syndrom]] besteht und sich der Zustand durch die Gabe von [[Levodopa]] oder [[Apomorphin]] in kürzester Zeit bessert, kann die Diagnose gestellt werden.
* Die häufigste Form von [[Blutarmut]] ist die [[Eisenmangelanämie]]. Seltenere Ursachen sind zum Beispiel [[Cobalamine|Vitamin B<sub>12</sub>]]-Mangel oder Probleme mit dem [[Knochenmark]] ([[Leukämie]]n, knochenmarkverdrängende [[Tumor]]e). Eine Diagnose der Eisenmangelanämie kann erfolgen, indem der Patient zusätzliches [[Eisen]] zu sich nimmt und dann feststellt, ob die Anämie verschwindet oder nicht.
* Die häufigste Form von [[Blutarmut]] ist [[Eisenmangelanämie]]. Seltenere Ursachen sind [[Cobalamine|Vitamin-B<sub>12</sub>]]-Mangel oder Probleme mit dem [[Knochenmark]] ([[Leukämie]]n und knochenmarkverdrängende [[Tumor]]e). Wenn durch Einnahme eines Eisenpräparats die Blutarmut behoben werden kann, kann auf eine vorherige Eisenmangelanämie geschlossen werden.
* Beim [[Normaldruckhydrocephalus]] oder [[Pseudotumor cerebri]] durch [[Lumbalpunktion]] und Ablassen von ca. 40 ml Liquor.
* Eine Steroidstoßtherapie bei Verdacht auf Erkrankungen, die auf Cortisongabe ansprechen
* Gabe von [[Schmerzmittel]]n bei unruhigen [[Demenz]]-Patienten, die keine Angaben machen können.
* Probetherapie bei Symptomen, die eine [[Refluxkrankheit]] vermuten lassen.
* Probetherapie bei Symptomen, die eine [[Refluxkrankheit]] vermuten lassen.
* [[Toxoplasmose]]behandlung bei immungeschwächten Patienten.
* [[Toxoplasmose]]behandlung bei immungeschwächten Patienten.
* [[Colchicin|Colchicinapplikation]] bei akutem [[Gicht#Akuter_Gichtanfall|Gichtanfall]]
* Verdauungsenzymsubstitution bei Magen-Darm-Beschwerden, die auf eine [[exokrine Pankreasinsuffizienz]] schließen lassen
* [[Triptane]] wirken nur bei [[Migräne]] und [[Cluster-Kopfschmerz|Cluster-Kopfschmerzen]], aber nicht bei anderen Schmerzen.
* Wenn unruhige [[Demenz]]-Patienten, die keine Angaben machen können, sich nach Gabe eines Schmerzmittels beruhigen, kann darauf geschlossen werden, dass der Unruhe ein Schmerzzustand zugrunde lag. Eine Diagnose der Schmerzursache ist damit allerdings noch nicht möglich.

== Problematik ==
Vordergründig scheint es berechtigt, aus der Wirkung eines Medikaments oder einer Behandlung diagnostische oder [[Differenzialdiagnose|differenzialdiagnostische]] Schlüsse zu ziehen. Bei den bewährten Anwendungen dieser Methode sind die physiologischen Zusammenhänge gut erforscht. In manchen Fällen könnten Ärzte jedoch versucht sein, durch den Einsatz hochwirksamer, spezifisch wirkender Medikamente mit diesem abgekürzten Verfahren unangenehme oder kostspielige [[Medizinische Untersuchung|Untersuchungen]] zu vermeiden. Ein erfolgreicher Behandlungsversuch ist grundsätzlich vorsichtig zu interpretieren. Ein Versuch mit negativem Ergebnis kann auf einer falschen Verdachtsdiagnose beruhen. Der Verdacht kann aber auch richtig gewesen sein und das Medikament wurde falsch dosiert, oder der Patient spricht aufgrund seiner individuellen [[Disposition (Medizin)|Disposition]] nicht darauf an. Es kann Fälle geben, in denen es sich um eine spontane [[Remission (Medizin)|Remission]] handelt, die auch ohne die Behandlung eingetreten wäre. Nicht selten spielt der [[Placebo]]effekt eine Rolle. Die Bestätigung einer Verdachtsdiagnose durch den Placeboeffekt kann zu einer Fehldiagnose verleiten.<ref>H. Fahrländer: ''[https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-642-70522-9_8 Diagnose ex juvatibus]''. In: A. L. Blum, J. R. Siewert, R. Ottenjann, L. Lehr (Hrsg.): Aktuelle gastroenterologische Diagnostik. Interdisziplinäre Gastroenterologie. Springer, Berlin, Heidelberg, 1985, S. 124–130.</ref>

In der Diskussion um die [[Alternativmedizin]] bei Behandlungen wie [[Handauflegen]] oder [[Homöopathie]] ist die ''diagnosis ex juvantibus'' von Belang, da Befürworter mit der Begründung „Wer heilt, hat recht“<ref>Vgl. auch [[Kurt Rüdiger von Roques]]: ''Wer heilt, der siegt!'' In: ''Neue Berliner Illustrierte.'' Band 2, 1946, Nr. 4, S. 13.</ref> oft auf (angebliche) Behandlungserfolge verweisen, ohne dass ein Kausalzusammenhang zwischen Behandlung und Heilung durch eine [[Doppelblindstudie]] oder eine [[randomisierte kontrollierte Studie]] nachgewiesen ist.


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==


<references>
<references>
<ref name="WBM">''ex juvantibus.'' In: Maxim Zetkin-Schaldach: ''Wörterbuch der Medizin''. dtv, München 1980, ISBN 3-423-03029-1, S.&nbsp;414.</ref>
<ref name="WBM">
''ex juvantibus.'' In: Maxim Zetkin-Schaldach: ''Wörterbuch der Medizin''. dtv, München 1980, ISBN 3-423-03029-1, S.&nbsp;414.</ref>
</references>
</references>


[[Kategorie:Therapie]]
[[Kategorie:Therapie]]
[[Kategorie:Lateinische Phrase]]
[[Kategorie:Lateinische Phrase (Medizin)]]

Aktuelle Version vom 26. Mai 2024, 14:05 Uhr

Diagnosis ex juvantibus (von lat. iuvans = helfend, "aus dem Helfenden / den helfenden Dingen heraus") ist ein lateinischer Ausdruck für deutsch: „Klärung der Diagnose vom Heilerfolg her“. Damit ist gemeint, dass durch die Wahl der Therapie und durch den eventuell auftretenden Heilerfolg auf die Krankheitsursache geschlossen wird.[1][2]

Der Ausdruck Ex non juvantibus wird in Situationen angewendet, in denen eine in der Regel zum Abklingen der jeweiligen Symptomatik führende Therapie keinen Erfolg zeigt.

Das Prinzip „Diagnosis ex juvantibus“ stellt ein nosologisches Kriterium der Klassifikation neben anderen dar, wie etwa klinisches Bild, Pathologie, Krankheitsverlauf etc.

  • Wenn Symptome nach Gabe eines Vitamins zurückgehen, kann die Diagnose Vitaminmangel gestellt werden.
  • Wenn bei Verdacht auf Unterzuckerung (z. B. bei Diabetes) Symptome nach Gabe einer Zuckerlösung verschwinden, kann auf Unterzuckerung als Ursache geschlossen werden.
  • Die Diagnose von Intoxikationen (Benzodiazepine, Opioide) kann gestellt werden, wenn die entsprechenden Gegenmittel (bei Opioiden z. B. Naloxon) Wirkung zeigen.
  • Wenn bei unbeherrschbarem Bewegungsdrang und Missempfindungen in den Beinen Verdacht auf Restless-Legs-Syndrom besteht und sich der Zustand durch die Gabe von Levodopa oder Apomorphin in kürzester Zeit bessert, kann die Diagnose gestellt werden.
  • Die häufigste Form von Blutarmut ist Eisenmangelanämie. Seltenere Ursachen sind Vitamin-B12-Mangel oder Probleme mit dem Knochenmark (Leukämien und knochenmarkverdrängende Tumore). Wenn durch Einnahme eines Eisenpräparats die Blutarmut behoben werden kann, kann auf eine vorherige Eisenmangelanämie geschlossen werden.
  • Probetherapie bei Symptomen, die eine Refluxkrankheit vermuten lassen.
  • Toxoplasmosebehandlung bei immungeschwächten Patienten.
  • Colchicinapplikation bei akutem Gichtanfall
  • Verdauungsenzymsubstitution bei Magen-Darm-Beschwerden, die auf eine exokrine Pankreasinsuffizienz schließen lassen
  • Triptane wirken nur bei Migräne und Cluster-Kopfschmerzen, aber nicht bei anderen Schmerzen.
  • Wenn unruhige Demenz-Patienten, die keine Angaben machen können, sich nach Gabe eines Schmerzmittels beruhigen, kann darauf geschlossen werden, dass der Unruhe ein Schmerzzustand zugrunde lag. Eine Diagnose der Schmerzursache ist damit allerdings noch nicht möglich.

Vordergründig scheint es berechtigt, aus der Wirkung eines Medikaments oder einer Behandlung diagnostische oder differenzialdiagnostische Schlüsse zu ziehen. Bei den bewährten Anwendungen dieser Methode sind die physiologischen Zusammenhänge gut erforscht. In manchen Fällen könnten Ärzte jedoch versucht sein, durch den Einsatz hochwirksamer, spezifisch wirkender Medikamente mit diesem abgekürzten Verfahren unangenehme oder kostspielige Untersuchungen zu vermeiden. Ein erfolgreicher Behandlungsversuch ist grundsätzlich vorsichtig zu interpretieren. Ein Versuch mit negativem Ergebnis kann auf einer falschen Verdachtsdiagnose beruhen. Der Verdacht kann aber auch richtig gewesen sein und das Medikament wurde falsch dosiert, oder der Patient spricht aufgrund seiner individuellen Disposition nicht darauf an. Es kann Fälle geben, in denen es sich um eine spontane Remission handelt, die auch ohne die Behandlung eingetreten wäre. Nicht selten spielt der Placeboeffekt eine Rolle. Die Bestätigung einer Verdachtsdiagnose durch den Placeboeffekt kann zu einer Fehldiagnose verleiten.[3]

In der Diskussion um die Alternativmedizin bei Behandlungen wie Handauflegen oder Homöopathie ist die diagnosis ex juvantibus von Belang, da Befürworter mit der Begründung „Wer heilt, hat recht“[4] oft auf (angebliche) Behandlungserfolge verweisen, ohne dass ein Kausalzusammenhang zwischen Behandlung und Heilung durch eine Doppelblindstudie oder eine randomisierte kontrollierte Studie nachgewiesen ist.

Einzelnachweise

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  1. ex juvantibus. In: Maxim Zetkin-Schaldach: Wörterbuch der Medizin. dtv, München 1980, ISBN 3-423-03029-1, S. 414.
  2. Pschyrembel-online: ex juvantibus. Auf: pschyrembel.de; zuletzt abgerufen am 8. November 2022.
  3. H. Fahrländer: Diagnose ex juvatibus. In: A. L. Blum, J. R. Siewert, R. Ottenjann, L. Lehr (Hrsg.): Aktuelle gastroenterologische Diagnostik. Interdisziplinäre Gastroenterologie. Springer, Berlin, Heidelberg, 1985, S. 124–130.
  4. Vgl. auch Kurt Rüdiger von Roques: Wer heilt, der siegt! In: Neue Berliner Illustrierte. Band 2, 1946, Nr. 4, S. 13.