„Majestätsbrief“ – Versionsunterschied

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Als '''Majestätsbrief''' wurden zwei von Kaiser [[Rudolf II. (HRR)|Rudolf II.]] im Jahre [[1609]] ausgestellte Urkunden bezeichnet, die den evangelischen [[Ständegesellschaft|Ständen]] des Königreichs [[Böhmen]] beziehungsweise [[Schlesien]]s Religionsfreiheit gewährten. Der böhmische Majestätsbrief wurde am 9. Juli 1609 ausgestellt, der schlesische am 20. August.
Als '''Majestätsbrief''' werden zwei von Kaiser [[Rudolf II. (HRR)|Rudolf II.]] im Jahr 1609 ausgestellte Urkunden bezeichnet, die den [[Protestantismus|protestantischen]] [[Landstände]]n des [[Königreich Böhmen|Königreichs Böhmen]] beziehungsweise [[Herzogtümer in Schlesien|Schlesiens]] Religionsfreiheit gewährten. Der am 9. Juli 1609 für Böhmen ausgestellte Majestätsbrief, den neben Rudolf der Oberste Burggraf Adam von Sternberg für die Stände und der kaiserliche Sekretär Paul [[Michna von Vacínov|Michna]] unterzeichneten.<ref>Anton Gindely: ''Geschichte der Ertheilung des böhmischen Majestätsbriefes von 1609'' [https://books.google.de/books?id=tRNBAAAAcAAJ&pg=PA189 S. 189]</ref>, galt auch für die [[Grafschaft Glatz]]<ref>[[Arno Herzig]], [[Małgorzata Ruchniewicz]]: ''Geschichte des Glatzer Landes.'' DOBU-Verlag u. a., Hamburg u. a. 2006, ISBN 3-934632-12-2, S. 116.</ref>.
Der für Schlesien gewährte Majestätsbrief wurde am 20. August 1609 ausgestellt.<ref>[https://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd17/content/titleinfo/5174869 ''Kaiser Rudolfs Majestätsbrief für Schlesien vom 28. August 1609''] Druck bei [[Hieronymus Galler|Hieronymo Galler]], Oppenheim, 1613 </ref>


== Vorgeschichte ==
== Vorgeschichte ==
Die Herstellung einer [[convivencia]] im Königreich Böhmen wurde durch die Existenz zweier religiöser Gruppen hussitischen Ursprungs erschwert, nämlich der [[Böhmische Brüder|böhmischen Bruderschaft]] (unitas fratrum) und den [[Kalixtiner|Utraquisten]], welche unter dem Einfluss des Luthertums standen. Beide Gruppen sowie die lutherischen Stände gehörten zu den Unterzeichnern der [[Confessio Bohemica]], welche [[Maximilian II. (HRR)|Maximilian II.]] bereits 1575, anzuerkennen versprochen hatte. Im Jahr 1608 legten sie Rudolf die Konfession vor und forderten seine Anerkennung ihrer freien Glaubensausübung.<ref name="GHDI" />
Die beiden Ständegemeinden hatten die außerordentlich schwierige politische Situation des eigentlich [[Gegenreformation|gegenreformatorisch]] gesinnten Kaisers ausgenutzt, um ihm die Ausstellung der beiden Majestätsbriefe abzutrotzen. Rudolf II. befand sich zu jener Zeit im Streit mit seinen Brüdern, die ihn vom böhmischen Thron verdrängen wollten. [[Mähren]] und Ungarn waren bereits zu Erzherzog [[Matthias (HRR)|Matthias]] übergegangen. In dieser Situation blieb dem Kaiser nichts anderes übrig, als den evangelischen Ständen seiner beiden wichtigsten Länder nachzugeben, wollte er nicht auch noch die Unterstützung der Böhmen und Schlesier verlieren.

Die beiden Ständegemeinden hatten die außerordentlich schwierige politische Situation des eigentlich [[Gegenreformation|gegenreformatorisch]] gesinnten Kaisers ausgenutzt, um ihm die Ausstellung der beiden Majestätsbriefe abzutrotzen. Rudolf II. befand sich zu jener Zeit im Streit mit seinen Brüdern, die ihn vom böhmischen Thron verdrängen wollten.<ref>Dalibor Janiš: ''Stände versus Herrscher'' S. 301</ref> Die [[Markgrafschaft Mähren]] und Ungarn waren bereits zu Erzherzog [[Matthias (HRR)|Matthias]] übergegangen. In dieser Situation blieb dem Kaiser nichts anderes übrig, als den evangelischen Ständen seiner beiden wichtigsten Länder nachzugeben, wollte er nicht auch noch die Unterstützung der Böhmen und Schlesier verlieren.
Der Einmarsch Matthias‘ in Böhmen zwang Rudolf zum Handeln und den Forderungen der verbündeten Stände fast vollständig nachzugeben, wenngleich er darauf bestand, dass die Bezeichnung „evangelisch“ (d.&nbsp;h. protestantisch) durch „utraquistisch“ ersetzt werde<ref name="GHDI">''Der böhmische Religionsfrieden (Juli 1609)'' (mit Wortlaut des Majestätsbriefes) [https://ghdi.ghi-dc.org/sub_document.cfm?document_id=4501&language=german Teil 1] [https://ghdi.ghi-dc.org/docpage.cfm?docpage_id=5594 Teil 2] [https://ghdi.ghi-dc.org/docpage.cfm?docpage_id=5595 Teil 3] [https://ghdi.ghi-dc.org/docpage.cfm?docpage_id=5596 Teil 4]bei: [[Deutsche Geschichte in Dokumenten und Bildern]]</ref> und sich nicht auf alle evangelischen Glaubensrichtungen bezog.

Obwohl der radikale Teil der Stände, die Möglichkeit nutzen wollten, Rudolf ganz abzusetzen, gab sich der größte Teil der Stände Böhmens und Schlesiens anders als die Stände Mährens und Ungarns mit dem Erlass eines Majestätsbriefes über die religiösen Freiheiten zufrieden.<ref>Dalibor Janiš: ''Stände versus Herrscher'' S. 303</ref>


== Inhalt ==
== Inhalt ==
Die Majestätsbriefe erlaubten neben der freien Religionsausübung aller Landeseinwohner auch die Etablierung einer protestantischen Kirchenorganisation sowie den evangelischen Kirchenbau, nicht nur auf den Besitzungen des Adels, sondern auch im Gebiet der königlichen [[Kammergut|Kammergüter]]. Wegen der letzten Bestimmung kam es in den folgenden Jahren zu schweren Konflikten zwischen den böhmischen Katholiken und Protestanten. Es war umstritten, ob auch die Besitzungen der katholischen Stifte - diese gehörten in Böhmen nicht zu den Ständen - als königliche Kammergüter anzusehen seien und sie deshalb den Bau evangelischer Kirchen in ihren Dörfern zulassen müssten. Die Zerstörung einer evangelischen Kirche in [[Klostergrab]], deren Bau die Katholiken als illegal empfanden, war [[1618]] der Auslöser für den [[Prager Fenstersturz]].
Die Majestätsbriefe erlaubten neben der freien Religionsausübung aller Landeseinwohner auch die Etablierung einer protestantischen Kirchenorganisation sowie den evangelischen Kirchenbau<ref>''Kaiser Rudolfs Majestätsbrief für Böhmen'' (deutsche Übersetzung) In: Anton Gindely: ''Geschichte der Ertheilung des böhmischen Majestätsbriefes von 1609'' [https://books.google.de/books?id=tRNBAAAAcAAJ&pg=PA182 S. 182–189]</ref>, nicht nur auf den Besitzungen des Adels, sondern auch im Gebiet der königlichen [[Böhmische Kammer|Kammergüter]]. Wegen der letzten Bestimmung kam es in den folgenden Jahren zu schweren Konflikten zwischen den böhmischen Katholiken und Protestanten. Es war umstritten, ob auch die Besitzungen der katholischen Stifte diese gehörten in Böhmen nicht zu den Ständen als königliche Kammergüter anzusehen seien und sie deshalb den Bau evangelischer Kirchen in ihren Dörfern zulassen müssten. Die Zerstörung einer evangelischen Kirche in [[Klostergrab]], deren Bau die Katholiken als illegal empfanden, war 1618 der Auslöser für den [[Zweiter Prager Fenstersturz|Zweiten Prager Fenstersturz]].


Als die evangelischen [[Oberlausitz]]er Stände vom Erfolg der böhmischen und schlesischen Protestanten erfuhren, wollten auch sie einen Majestätsbrief für sich erwerben. Ihre 1610/1611 zu Rudolf II. nach Prag geschickten Gesandten wurden jedoch vom Kaiser abgewiesen. Die Oberlausitzer mussten sich mit einer von Kaiser Matthias 1612 ausgefertigten [[Religionsassekuration]] zufriedengeben, die bloß den status quo bestätigte.
Als die evangelischen [[Oberlausitz]]er Stände vom Erfolg der böhmischen und schlesischen Protestanten erfuhren, wollten auch sie einen Majestätsbrief für sich erwerben. Ihre 1610/1611 zu Rudolf II. nach Prag geschickten Gesandten wurden jedoch vom Kaiser abgewiesen. Die Oberlausitzer mussten sich mit einer von Kaiser Matthias 1612 ausgefertigten [[Religionsassekuration]] zufriedengeben, die bloß den status quo bestätigte.


== Verbleib ==
== Verbleib ==
Nach der für die [[Kaiserliche|Kaiserlichen]] siegreichen [[Schlacht am Weißen Berg]] am 8. November 1620 wurde der Majestätsbrief von Kaiser [[Ferdinand II. (HRR)|Ferdinand II.]] persönlich in zwei Teile zerschnitten. Die nach dem zerschnittenen Original (im Nationalarchiv Prag) einzig existierende beglaubigte Abschrift des Majestätsbriefes wird heute in der [[Christian-Weise-Bibliothek]] in [[Zittau]] aufbewahrt.
Nach der für die [[Kaiserliche Armee (HRR)|Kaiserlichen]] siegreichen [[Schlacht am Weißen Berg]] am 8. November 1620 wurde der Majestätsbrief von Kaiser [[Ferdinand II. (HRR)|Ferdinand II.]] persönlich in zwei Teile zerschnitten. Die nach dem zerschnittenen Original (im Nationalarchiv Prag) einzig existierende beglaubigte Abschrift des Majestätsbriefes wird heute in der [[Christian-Weise-Bibliothek]] in [[Zittau]] aufbewahrt.


''Vgl. auch: [[Confessio Bohemica]] und [[Confoederatio Bohemica]]''
''Vgl. auch: [[Confessio Bohemica]] und [[Confoederatio Bohemica]]''


== Literatur ==
== Literatur ==
* Johann Borott: [https://www.digitale-sammlungen.de/en/view/bsb10448558?page=3 ''Der von Kaiser Rudolph dem Zweiten den Protestanten in Böhmen ertheilte Majestätsbrief vom Jahre 1609 : aus einer böhmischen Urkunde übersetzt mit Anmerkungen''] Görlitz 1803
* Anton Gindely: Geschichte der Ertheilung des böhmischen Majestätsbriefes von 1609. Prag 1858.
* [[Anton Gindely]]: [https://books.google.de/books?id=a9gtAAAAYAAJ&printsec=frontcover&hl=de ''Geschichte der Ertheilung des böhmischen Majestätsbriefes von 1609.''] [[Friedrich Tempsky]], Prag 1858.
* Paul Konrad: Der schlesische Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. vom Jahre 1609 in seiner Bedeutung für das städtische Konsistorium und d. evang. Kirchengemeinden Breslaus. Breslau 1909
* [[Hermann Knothe]]: ''Die Bemühungen der Oberlausitz um einen Majestätsbrief, 1609–1611.'' In: ''[[Neues Lausitzisches Magazin]].'' Band 56, 1880, S. 96–117. [https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/58484/108/cache.off (Digitalisat)]
* Kamil Krofta: Majestát Rudolfa II. [Der Majestätsbrief Rudolfs II. Mit Faks. d. Orig.] Praha 1909
* Paul Konrad: ''Der schlesische Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. vom Jahre 1609 in seiner Bedeutung für das städtische Konsistorium und die evangelischen Kirchengemeinden Breslaus. Festschrift zur 300jährigen Jubelfeier.'' Kauffmann, Breslau 1909. [http://jbc.jelenia-gora.pl/dlibra/doccontent?id=9738 (Digitalisat)]
* Hermann Knothe: Die Bemühungen der Oberlausitz um einen Majestätsbrief, 1609-1611. In: Neues Lausitzisches Magazin Bd. 56(1880).
* [[Kamil Krofta]]: ''Majestát Rudolfa II.'' Nákladem Historického Klubu, Praha 1909 (Der Majestätsbrief Rudolfs II. Mit Faksimile des Originals).
* Uwe Kahl: Kostbarkeiten aus dem Altbestand der Christian-Weise-Bibliothek Zittau : Der Majestätsbrief von Kaiser Rudolph II. aus dem Jahre 1609. In: [[Bibliotheksjournal]]. Zittau 1999 - Heft 9, S. 36-38
* Uwe Kahl: ''Kostbarkeiten aus dem Altbestand der Christian-Weise-Bibliothek Zittau: Der Majestätsbrief von Kaiser Rudolph II. aus dem Jahre 1609.'' In: ''[[Bibliotheksjournal|Bibliotheksjournal der Christian-Weise-Bibliothek Zittau]].'' 9, 1999, S. 36–38.
* Milan Svoboda: Majestát Rudolfa II. ve sbírkách Christian-Weise-Bibliothek v Zitave. In: Fontes Nissae : Prameny Nisy 2002/III. Liberec 2002 - S. 160 ff.
* Alois Kröß: ''Die Erpressung des Majestätsbriefes von Kaiser Rudolf II. durch die böhmischen Stände im Jahre 1609'' In: [[Zeitschrift für katholische Theologie]], Band 32, Nr. 1 1908, S. 55–74 {{JSTOR|24189727}}
* Milan Svoboda: ''Majestát Rudolfa II. ve sbírkách Christian-Weise-Bibliothek v Zitave.'' In: ''Fontes Nissae.'' Band 3, 2002, {{ISSN|1213-5097}}, S. 160–168.
* Jaroslava Hausenblasová, Jiří Mikulec, Martina Thomsen (Hrsg.): ''Religion und Politik im frühneuzeitlichen Böhmen: Der Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. von 1609'' (= Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa. Band 46). Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-515-10609-2.
* Jaroslava Hausenblasová, Jiří Mikulec und Martina Thomsen: [https://media.dav-medien.de/sample/9783515105941_p.pdf ''Der rudolfinische Majestätsbrief: Entstehungsgeschichte, Forschungsstand und konzeptionelle Überlegungen''] In: [[Historische Zeitschrift]] 301(1)2015, S. 11–18
* Dalibor Janiš: [https://www.opera-historica.com/pdfs/oph/2010/01/14.pdf ''Stände versus Herrscher: Widerstandsrecht und Landrechte in den böhmischen Ländern'']. In: [https://www.opera-historica.com/magno/oph/2010/mn1.php Opera Historica, 2010 Band 14 Nr. 1: ''Ein Bruderzwist im Hause Habsburg (1608–1611)'']. 2010.
* Till Janzer: [https://deutsch.radio.cz/kurzer-frieden-der-religionen-der-majestaetsbrief-rudolfs-ii-von-1609-8580477 ''Kurzer Frieden der Religionen: der Majestätsbrief Rudolfs II. von 1609''] [[Radio Prague International]] 3. Oktober 2009

== Weblinks ==
* [http://jbc.jelenia-gora.pl/Content/14914/epogranicze_konf_kon_zittau_chwbz_kahl_uwe_de.pdf ''Christian-Weise-Bibliothek Zittau: Geschichte und Schätze einer 450jährigen Sammlung''], ''Majestätsbrief von 1609'' S. 12, bereitgestellt von [https://jbc.jelenia-gora.pl/dlibra/text?id=library-desc Jelenia Góra Digital Library]

== Einzelnachweise ==
<references />


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[[Kategorie:Christentumsgeschichte (Tschechien)]]
[[pl:List majestatyczny]]
[[sv:Majestätsbrev]]

Aktuelle Version vom 31. Mai 2024, 16:54 Uhr

Der Majestätsbrief

Als Majestätsbrief werden zwei von Kaiser Rudolf II. im Jahr 1609 ausgestellte Urkunden bezeichnet, die den protestantischen Landständen des Königreichs Böhmen beziehungsweise Schlesiens Religionsfreiheit gewährten. Der am 9. Juli 1609 für Böhmen ausgestellte Majestätsbrief, den neben Rudolf der Oberste Burggraf Adam von Sternberg für die Stände und der kaiserliche Sekretär Paul Michna unterzeichneten.[1], galt auch für die Grafschaft Glatz[2]. Der für Schlesien gewährte Majestätsbrief wurde am 20. August 1609 ausgestellt.[3]

Die Herstellung einer convivencia im Königreich Böhmen wurde durch die Existenz zweier religiöser Gruppen hussitischen Ursprungs erschwert, nämlich der böhmischen Bruderschaft (unitas fratrum) und den Utraquisten, welche unter dem Einfluss des Luthertums standen. Beide Gruppen sowie die lutherischen Stände gehörten zu den Unterzeichnern der Confessio Bohemica, welche Maximilian II. bereits 1575, anzuerkennen versprochen hatte. Im Jahr 1608 legten sie Rudolf die Konfession vor und forderten seine Anerkennung ihrer freien Glaubensausübung.[4]

Die beiden Ständegemeinden hatten die außerordentlich schwierige politische Situation des eigentlich gegenreformatorisch gesinnten Kaisers ausgenutzt, um ihm die Ausstellung der beiden Majestätsbriefe abzutrotzen. Rudolf II. befand sich zu jener Zeit im Streit mit seinen Brüdern, die ihn vom böhmischen Thron verdrängen wollten.[5] Die Markgrafschaft Mähren und Ungarn waren bereits zu Erzherzog Matthias übergegangen. In dieser Situation blieb dem Kaiser nichts anderes übrig, als den evangelischen Ständen seiner beiden wichtigsten Länder nachzugeben, wollte er nicht auch noch die Unterstützung der Böhmen und Schlesier verlieren. Der Einmarsch Matthias‘ in Böhmen zwang Rudolf zum Handeln und den Forderungen der verbündeten Stände fast vollständig nachzugeben, wenngleich er darauf bestand, dass die Bezeichnung „evangelisch“ (d. h. protestantisch) durch „utraquistisch“ ersetzt werde[4] und sich nicht auf alle evangelischen Glaubensrichtungen bezog.

Obwohl der radikale Teil der Stände, die Möglichkeit nutzen wollten, Rudolf ganz abzusetzen, gab sich der größte Teil der Stände Böhmens und Schlesiens anders als die Stände Mährens und Ungarns mit dem Erlass eines Majestätsbriefes über die religiösen Freiheiten zufrieden.[6]

Die Majestätsbriefe erlaubten neben der freien Religionsausübung aller Landeseinwohner auch die Etablierung einer protestantischen Kirchenorganisation sowie den evangelischen Kirchenbau[7], nicht nur auf den Besitzungen des Adels, sondern auch im Gebiet der königlichen Kammergüter. Wegen der letzten Bestimmung kam es in den folgenden Jahren zu schweren Konflikten zwischen den böhmischen Katholiken und Protestanten. Es war umstritten, ob auch die Besitzungen der katholischen Stifte – diese gehörten in Böhmen nicht zu den Ständen – als königliche Kammergüter anzusehen seien und sie deshalb den Bau evangelischer Kirchen in ihren Dörfern zulassen müssten. Die Zerstörung einer evangelischen Kirche in Klostergrab, deren Bau die Katholiken als illegal empfanden, war 1618 der Auslöser für den Zweiten Prager Fenstersturz.

Als die evangelischen Oberlausitzer Stände vom Erfolg der böhmischen und schlesischen Protestanten erfuhren, wollten auch sie einen Majestätsbrief für sich erwerben. Ihre 1610/1611 zu Rudolf II. nach Prag geschickten Gesandten wurden jedoch vom Kaiser abgewiesen. Die Oberlausitzer mussten sich mit einer von Kaiser Matthias 1612 ausgefertigten Religionsassekuration zufriedengeben, die bloß den status quo bestätigte.

Nach der für die Kaiserlichen siegreichen Schlacht am Weißen Berg am 8. November 1620 wurde der Majestätsbrief von Kaiser Ferdinand II. persönlich in zwei Teile zerschnitten. Die nach dem zerschnittenen Original (im Nationalarchiv Prag) einzig existierende beglaubigte Abschrift des Majestätsbriefes wird heute in der Christian-Weise-Bibliothek in Zittau aufbewahrt.

Vgl. auch: Confessio Bohemica und Confoederatio Bohemica

Einzelnachweise

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  1. Anton Gindely: Geschichte der Ertheilung des böhmischen Majestätsbriefes von 1609 S. 189
  2. Arno Herzig, Małgorzata Ruchniewicz: Geschichte des Glatzer Landes. DOBU-Verlag u. a., Hamburg u. a. 2006, ISBN 3-934632-12-2, S. 116.
  3. Kaiser Rudolfs Majestätsbrief für Schlesien vom 28. August 1609 Druck bei Hieronymo Galler, Oppenheim, 1613
  4. a b Der böhmische Religionsfrieden (Juli 1609) (mit Wortlaut des Majestätsbriefes) Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4bei: Deutsche Geschichte in Dokumenten und Bildern
  5. Dalibor Janiš: Stände versus Herrscher S. 301
  6. Dalibor Janiš: Stände versus Herrscher S. 303
  7. Kaiser Rudolfs Majestätsbrief für Böhmen (deutsche Übersetzung) In: Anton Gindely: Geschichte der Ertheilung des böhmischen Majestätsbriefes von 1609 S. 182–189