„Walter Kempowski“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[ungesichtete Version][ungesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Zeile 46: Zeile 46:
Im Oktober 2006 wurde Kempowski wegen einer schweren [[Krebs (Medizin)|Krebs]]erkrankung operiert. Dessen ungeachtet versucht er, seine schriftstellerische Tätigkeit fortzusetzen. Er arbeitet an einem Tagebuch über das Jahr 1991, als der [[Zweiter Golfkrieg|zweite Golfkrieg]] stattfand. Im März 2007 las er in seinem Haus vor rund 70 Personen aus seinem Roman „Alles umsonst“.
Im Oktober 2006 wurde Kempowski wegen einer schweren [[Krebs (Medizin)|Krebs]]erkrankung operiert. Dessen ungeachtet versucht er, seine schriftstellerische Tätigkeit fortzusetzen. Er arbeitet an einem Tagebuch über das Jahr 1991, als der [[Zweiter Golfkrieg|zweite Golfkrieg]] stattfand. Im März 2007 las er in seinem Haus vor rund 70 Personen aus seinem Roman „Alles umsonst“.



=== Kempowski-Gesellschaft ===
Wissenschaftler, Journalisten und Studenten haben in Gießen eine „Kempowski-Gesellschaft“ gegründet. Die literarische Gesellschaft will sich der Bewahrung und Förderung des Werks Walter Kempowskis widmen. Vorsitzender ist der Gießener Germanist Sascha Feuchert.


== Werke ==
== Werke ==

Version vom 14. Juni 2007, 16:20 Uhr

Kempowski beim Signieren in einer Rostocker Buchhandlung

Walter Kempowski (* 29. April 1929 in Rostock) ist ein deutscher Schriftsteller. Er wurde vor allem durch seine stark autobiographisch geprägten Romane der Deutschen Chronik bekannt sowie durch sein Projekt Echolot, in dem er Tagebücher, Briefe und andere Alltagszeugnisse unterschiedlichster Herkunft zu collagenartigen Zeitgemälden verarbeitete. Kempowski gilt als einer der bedeutendsten deutschen Autoren der Gegenwart.

Leben

Herkunft und Kindheit

Walter Kempowski wurde am 29. April 1929 als Sohn des Reeders und Schiffsmaklers Karl Georg Kempowski, den er als „still und stark gehemmt“ bezeichnete, und der Hamburger Kaufmannstochter Margarethe Kempowski, geb. Collasius, in Rostock geboren. Er besuchte ab 1935 die St.Georg-Schule, eine Knabenschule, und wechselte im Jahre 1939 auf das Realgymnasium.

Im Krieg

Nur knapp überlebte er die Bombenangriffe auf Hamburg im Sommer 1943. Im Jahre 1944 wurde Kempowski in eine Strafeinheit der Hitlerjugend versetzt und noch 1945 als Fünfzehnjähriger als Luftwaffenkurier zur Wehrmacht eingezogen. Sein Vater fiel in den letzten Kriegstagen, am 26. April 1945. 1946 musste Walter Kempowski die Schule verlassen. Nach verschiedenen Tätigkeiten als Laufbursche trat er bei einer Rostocker Druckerei eine Kaufmannslehre an. Da deren Fortsetzung beim Rowohlt Verlag in Hamburg, wo Kempowski ab 1947 lebt, aufgrund einer fehlenden Arbeitserlaubnis nicht möglich war, nahm er eine Anstellung als Verkäufer in einem PX-Store der United States Army in Wiesbaden an.

Haft in Bautzen

Am 8. März 1948, während eines Besuchs bei seiner Mutter in Rostock, wurde Walter Kempowski, der sich auch für die liberale LDP engagierte, vom sowjetischen NKWD verhaftet. Sein Bruder Robert Kempowski, der die väterliche Reederei weiterbetrieb, hatte Frachtpapiere aus dem Kontor gesammelt, um beweisen zu können, dass die sowjetische Besatzungsmacht größere Mengen an Demontagegütern aus Deutschland abtransportieren ließ, als mit den Westalliierten vereinbart war. Walter Kempowski sollte diese Dokumente den Amerikanern übergeben. Aufgrund dessen verurteilte ein sowjetisches Militärtribunal beide Brüder wegen angeblicher Spionage zu 25 Jahren Arbeitslager. Auch ihre Mutter wurde zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt wegen „Nichtanzeige von Agenten ausländischer Geheimdienste“. Walter Kempowski musste seine Haft im sowjetischen Speziallager Nr. 4 im früheren Zuchthaus Bautzen unter unmenschlichen Bedingungen absitzen. So musste er etwa im Jahre 1953 eine mehrwöchige Einzelhaft wegen des Vorwurfs der Gründung einer christlichen Untergrundbewegung absitzen. Im Jahre 1954 wurde Kempowski Leiter des Gefängnischores. Die Erlebnisse in Bautzen verarbeitete er literarisch in seinem 1969 erschienenen Erstlingswerk „Im Block. Ein Haftbericht“.

Neuanfang

Am 8. März 1956 wurde Kempowski vorzeitig aus der Haft entlassen. Er ging zunächst nach Hamburg zu seiner Mutter, die bereits im Jahre 1954 entlassen worden war. Dort begann er mit regelmäßigen Tagebuchaufzeichnungen. 1957 legte er in Göttingen das Abitur ab und nahm dort auch das Studium der Pädagogik auf. Noch in Göttingen heiratete er die friesische Pfarrerstochter Hildegard Janssen, die ebenfalls Lehrerin wurde. Diesen Zeitabschnitt nannte Kempowski „ein sonniges Kapitel meines Lebens“. Ab 1960 war er als Lehrer bei Zeven, ab 1965 in Nartum (Landkreis Rotenburg (Wümme)) und von 1975 bis 1979 in Zeven bei Bremen tätig. Im Jahre 1961 wurde sein Sohn Karl-Friedrich, im Jahre 1962 seine Tochter Renate geboren.

Der Neuanfang wurde durch die in Westdeutschland inzwischen etablierten 68er überschattet, die aus ideologischen Gründen ehemalige Häftlinge aus der DDR oftmals ablehnten. Kempowski entwickelte aufgrund dieser Erfahrungen eine tiefe Ablehnung gegen diese Bewegung, spricht selbst sogar von Hass.

Das Bio-Archiv

Anfang der achtziger Jahre begann Kempowski, biographische Materialien von „einfachen“ Menschen zu sammeln, indem er Anzeigen in der ZEIT aufgab. Er erhielt Unmengen an Tagebüchern, Briefwechseln, Lebensaufzeichnungen und Photographien von verschiedensten Menschen aus unterschiedlichsten Kreisen und Zeiten. Diese Materialien verwendete er in seinem Hauptwerk Echolot. 2005 vermachte er sein Biographien-Archiv, das mittlerweile hunderttausende Fotos und Millionen Blatt Papier umfasst, der Stiftung Archiv der Akademie der Künste (Berlin).

Der Schriftsteller

Kempowski-Archiv in Rostock

In den 1960er Jahren intensivierte Kempowski seine schriftstellerische Tätigkeit. Einem breiten Publikum wurde er 1975 durch die Verfilmung seines autobiographischen Romans „Tadellöser und Wolff“ bekannt. Zum Knaus-Verlag, dem er bis heute treu geblieben ist, wechselte er 1978 von Hanser. Von 1980 bis 1991 war er Lehrbeauftragter für Fragen der Literaturproduktion an der Universität Oldenburg. Im Laufe der Jahre nahm er unterschiedliche Dozententätigkeiten an Universitäten in Deutschland und den USA wahr.

Eine Besonderheit in Kempowskis Stil ist die Kunst der Collage. Durch eine scheinbar emotionslose Aneinanderreihung eigener Erlebnisse, von Liedtexten, Zitaten, Reklameschriften usw. in einen jeweils meist absatzweise strukturierten Kontext entsteht eine für den Leser sehr authentisch wirkende Szene. Die hintereinander gereihten Absätze mit jeweils wechselndem Thema ergeben eine Art literarische Collage, die gerade aus ihrer scheinbaren Teilnahmslosigkeit sehr spannend wirkt und dem Leser viel Raum für die eigene Interpretation lässt. In seiner Familienchronik hat er diese Collage-Technik zu hoher Perfektion ausgebaut. In seinem Werk „Echolot“ sind es keine eigenen Erlebnisse, aber diejenigen von zahllosen Zeitzeugen, die zu Collagen zusammengestellt werden. Nicht alle seiner Romane oder Erzählungen sind auf diese Weise angelegt.

Trotzdem wird Kempowski im Januar 1990 vom Journalisten Harald Wieser im Magazin Stern öffentlich des Plagiats bezichtigt, weil er für seinen Roman „Aus großer Zeit“ ganze Passagen von einem Autor namens Werner Tschirch („Rostocker Leben. Im Rückblick auf 1900“) übernommen hatte. Unterstützt wurde Kempowski jedoch durch Kollegen wie Hellmuth Karasek, der in einem SPIEGEL-Artikel (Der Ehrabschreiber, 3/1990) darauf hinwies, dass Kempowski in Interviews und in Vorlesungen über seine Methode stets bereitwillig Auskunft gegeben und dabei auch immer das Tschirch-Buch als eine seiner Quellen genannt habe.

Seinen Werken gemeinsam ist eine manchmal lakonische, teils zynische, mit hintergründigem Humor versehene Erzählweise.

Vorbilder und Grundlagen seines einzigartigen Erzählstils sind teils bei Franz Kafka, teils bei John Dos Passos zu finden, für die Chronik seiner Familie spielte auch Galsworthy eine Rolle.[1]

Bundespräsident Horst Köhler würdigte bei Eröffnung der Ausstellung, die sich Kempowskis Leben und schriftstellerischem Wirken widmet, in der Berliner Akademie der Künste am 19. Mai 2007 Kempowski als „Volksdichter“, weil sehr viele Menschen seine Werke läsen und weil „er wie kein anderer das Volk selbst zum Sprechen gebracht hat“. [2] Der schwerkranke Kempowski konnte selbst nicht an der Zeremonie teilnehmen, - ihn vertrat seine Frau Hildegard - bezeichnete den Tag der Austellungseröffnung als den glücklichsten in seinem Leben, welches er nun (nach jahrelangem zähen, teils bitteren Kampf gegen fehlende öffentliche Anerkennung) zufrieden beschließen könne. Die Dankesworte verlas Kempowskis Sohn: „Ich danke all denen, die mein Werk wohlwollend begleiteten, und ich verzeihe jenen, die es ignorierten.“ Im Gespräch mit dem Deutschlandradio sagte der Schriftsteller: „Ich bin 78, und es wird Zeit, sich zu verabschieden. Ich hab genug getan, ich war 30 Jahre Pädagoge, habe 40 Bücher geschrieben, das reicht allmählich“ [3]

Projekte

Wesentlich und charakteristisch für Kempowskis Arbeit ist die Hinwendung zu umfangreichen Großprojekten, die „Fleißarbeit“ über viele Jahre erfordern. So vermutete er schon in seinem Tagebuch (wie wir nun wissen, irrtümlicherweise), dass die Arbeit am „Echolot“ ihn wohl bis zum Lebensende beschäftigen werde.

Derzeit arbeitet er am großen Projekt „Ortslinien“, das vorsieht, Fotos, Texte, Tondokumente, Filme und Gemälde aus dem Zeitraum 1850–2000 zu einem Gesamtkunstwerk zu bündeln, bis schließlich jeder Tag durch ein Kunstprodukt repräsentiert wird. Kempowski selbst geht davon aus, dass eine Crew über seinen Tod hinaus mit dem Großwerk beschäftigt sein werde.

Überdies gibt es das Projekt „Plankton“, das an die Befragungsbücher der „Deutschen Chronik“ anschließen soll und für das er seit den sechziger Jahren Aussagen gesammelt hat. Seit 2003 schreibt er außerdem einen Gedichtzyklus über seine Haftzeit.

Krankheit

Im Oktober 2006 wurde Kempowski wegen einer schweren Krebserkrankung operiert. Dessen ungeachtet versucht er, seine schriftstellerische Tätigkeit fortzusetzen. Er arbeitet an einem Tagebuch über das Jahr 1991, als der zweite Golfkrieg stattfand. Im März 2007 las er in seinem Haus vor rund 70 Personen aus seinem Roman „Alles umsonst“.


Werke

  • Deutsche Chronik I. Aus großer Zeit, 1978
  • Deutsche Chronik II. Schöne Aussicht, 1981
  • Deutsche Chronik III. Haben Sie Hitler gesehen?, 1973
  • Deutsche Chronik IV. Tadellöser & Wolff, 1971
  • Deutsche Chronik V. Uns geht's ja noch gold, 1972
  • Deutsche Chronik VI. Haben Sie davon gewußt?, 1979
  • Deutsche Chronik VII. Ein Kapitel für sich, 1975
  • Deutsche Chronik VIII. Schule (Immer so durchgemogelt. Erinnerungen an unsere Schulzeit), 1974
  • Deutsche Chronik IX. Herzlich willkommen, 1984
  • Das Echolot. Ein kollektives Tagebuch Januar und Februar 1943. 4 Bde. München: Albrecht Knaus Verlag 1993. (Rezension)
  • Das Echolot. Fuga furiosa. Ein kollektives Tagebuch Winter 1945. 4 Bde. München: Albrecht Knaus Verlag 1999. (Rezension)
  • Das Echolot. Barbarossa '41. Ein kollektives Tagebuch. München: Albrecht Knaus Verlag 2002
  • Das Echolot. Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch. München: Albrecht Knaus Verlag 2005 (Rezension)
  • Culpa. Notizen zum Echolot. München: Albrecht Knaus Verlag 2005 (Rezension)
  • Im Block. Ein Haftbericht, 1969
  • Träumereien am elektrischen Kamin (Hörspiel), 1971
  • Ausgeschlossen (Hörspiel), 1972
  • Haben Sie Hitler gesehen? (Hörspiel) 1973
  • Der Hahn im Nacken. Mini-Geschichten, 1973
  • Walter Kempowskis Harzreise erläutert, 1974
  • Beethovens Fünfte (Hörspiel) 1975
  • Alle unter einem Hut, 1976
  • Wer will unter die Soldaten, 1976
  • Unser Herr Böckelmann, 1979
  • Moin Vaddr läbt (Hörspiel), 1980
  • Kempowskis einfache Fibel, 1980
  • Führungen - ein deutsches Denkmal (Hörspiel), 1982
  • Herrn Böckelmanns schönste Tafelgeschichten, 1983
  • Alles umsonst (Hörspiel), 1984
  • Hundstage, 1988
  • Ein Knie geht einsam durch die Welt (Herausgeber), 1989
  • Sirius. Eine Art Tagebuch, 1990
  • In Rostock, 1990
  • Mark und Bein. Eine Episode, 1992
  • Mein Rostock, 1994
  • Der arme König von Opplawur. Ein Märchen, 1994
  • Weltschmerz. Kinderszenen fast zu ernst, 1995
  • Der Krieg geht zu Ende. Chronik für Stimmen (Hörspiel, 9 Std.), 1995
  • Bloomsday '97, 1997
  • Heile Welt, 1998
  • Der rote Hahn. Dresden 1945. München: btb 2001.
  • Alkor. Tagebuch 1989, 2001
  • Letzte Grüße, 2003
  • Hamit. Tagebuch 1990, München: Albrecht Knaus Verlag 2006
  • Alles umsonst, 2006.

Literatur

  • Manfred Dierks: Autor - Text - Leser: Walter Kempowski. München 1981. UTB 1125. ISBN 3-7720-1701-0
  • Manfred Dierks: Walter Kempowski. (Autorenbücher; 39). München 1984. ISBN 3-406-09589-5
  • Walter Kempowski zum 60. Geburtstag. Mit Beiträgen von Jörg Drews, Charlotte Heinritz und einer Bibliographie. München 1989. ISBN 3-8135-0500-6
  • Ladenthin, Volker: Versuch, Walter Kempowski mit der Hilfe von Arno Schmidt besser zu verstehen. In: Wirkendes Wort 41 (1991). S.436-443
  • Die Sprache der Geschichte. Beiträge zum Werk Walter Kempowskis. Herausgegeben von Volker Ladenthin. Eitorf 2000. ISBN 3-932174-48-8. (Vergr., Neuausgabe geplant.)
  • Ladenthin, Volker: Furiose Summe. Walter Kempowskis Fortschreibung des „Echolot“-Projekts. In: neue deutsche literatur 48 (2000) H.6, S.175-177
  • Dirk Hempel: Walter Kempowski Eine bürgerliche Biographie. btb Goldmann München 2004. ISBN 3-442-73208-5
  • Carla Damiano: „Was das nun wieder soll?“. Göttingen 2005. ISBN 3-8924-4887-6
  • Raul Calzoni: Walter Kempowski, W. G. Sebald e i tabù della memoria collettiva tedesca. Campanotto Udine 2005. ISBN 88-456-0708-9

Auszeichnungen

Artikel und Interviews

Kempowski-Ausstellung in der Akademie der Künste (Berlin)

Quellen

  1. Interview von Thomas Combrink mit Kempowski vom 7. Juni 2005, veröffentlicht in Band 3 der Reihe „Die Spatien“, Rostock, April 2006 - Herausgeber: Kempowski-Archiv Rostock
  2. http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,483726,00.html
  3. http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/626518/