Lemken (Volksgruppe)

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Die lemkische Folklore-Tanzgruppe-Ensemble "Oslawiany" aus Mokre (Powiat Sanocki)
Dekoration zum Erntedankfest aus Morochów (Powiat Sanocki)

Die Lemken sind ein russinischer Volksstamm, der traditionell im Lemkenland im heutigen Südpolen und der Nordostslowakei beheimatet war. Sie bewohnten die Ostkarpatengegend zwischen den Quellen des San und der Popper und betrieben vorwiegend Viehzucht und Handel. Seit der Aktion Weichsel 1947, als die Mehrheit der Lemken aus dieser Region vertrieben wurde, sind zahlreiche von ihnen in anderen Regionen Polens ansässig, vor allem in der Woiwodschaft Niederschlesien.

Lemken sprechen das ostslawische Karpato-Russinisch und gehören in ihrer Mehrheit der byzantinisch orthodoxen Kirche an[1]. Konfessionelle Minderheiten sind Katholische Christen[2][3] und Atheisten. Die meisten Teile ihrer alten ländlichen Siedlungen wurden gänzlich neu nach walachischem Recht gegründet[4][5].

Der Begriff Lemken ist ein Neologismus aus dem 20. Jahrhundert, „lem“ bedeutet in ihrer Sprache „nur“. Die Lemken selbst bezeichnen sich überwiegend als „Rusnáci“, also als Russinen. In der Ukraine werden sie zu den Ukrainern gezählt.

Geschichte

Die Lemken lebten wahrscheinlich seit dem 19. Jahrhundert in den Ostbeskiden zwischen San und Poprad. Bis 1919 gehörte der südliche Teil zu Ungarn, dann zur Tschechoslowakei. Der zu Polen gehörende nördliche Teil kam mit der Ersten Polnischen Teilung 1772 unter österreichische Herrschaft.

Flagge der Lemko-Russinischen Republik 1918–1920

Von Dezember 1918 bis März 1920 gab es im galizischen Florynka (in der Nähe von Grybów) eine Lemko-Russinische Republik[6], deren Selbstverwaltung zunächst die Einheit mit Russland proklamierte, dann die Angliederung an die Tschechoslowakei anstrebte. Die Führer der Republik wurden bereits im Februar 1919 von polnischen Truppen arrestiert, die gesamte Region war Anfang 1920 unter polnischer Kontrolle.[7] Nachdem 1945 die polnischen Grenzen neu gezogen worden waren, wurden die in Polen lebenden Lemken in der Aktion Weichsel in ihre heutigen Gebiete, nach Pommern, Masuren und Niederschlesien, zwangsumgesiedelt. Bei der Volkszählung 2002 in Polen wurden 5800 Lemken gezählt, Schätzungen gehen von deutlich höheren Zahlen, für 2003 etwa 60.000 aus. Begründet wird die Differenz damit, dass ein Teil der Lemken sich als Ukrainer ansieht.[8]

Jedes Jahr treffen sich in dem polnischen Dörfchen Zdynia Lemken zu einem Volksfest, bei dem auch viele Nachkommen von nach Übersee ausgewanderten Lemken teilnehmen. Dies ist das weltweit größte Festival der Lemken, welches Watra (deutsch: Hirtenfeuer) genannt wird.[9]

Siehe auch

Literatur

  • Roman Drozd, Bohdan Halczak: Dzieje Ukraińców w Polsce w latach 1921–1989. Wydanie 2, poprawione. Tyrsa, Warszawa 2010, ISBN 83-89085-12-7.
  • Bohdan Halczak: Łemkowskie miejsce we wszechświecie. Refleksje o położeniu Łemków na przełomie XX i XXI wieku. In: Stefan Dudra, Bohdan Halczak, Roman Drozd, Iryna Betko, Michal Šmigeľ (Hrsg.): Łemkowie, Bojkowie, Rusini. Historia, współczesność, kultura materialna i duchowa. Band 4, Teil 1. Drukarnia Wydawnictwo „Druk-Ar“ u. a., Głogów u. a. 2012, ISBN 978-83-60087-63-3, S. 119–133.
  • Bohdan Halczak: Problemy tożsamości narodowej Łemków. In: Stefan Dudra, Bohdan Halczak, Andrzej Ksenicz, Jerzy Starzyński (Hrsg.): Łemkowie, Bojkowie, Rusini. Historia, współczesność, kultura materialna i duchowa. Band 1. Łemkowski Zespół Pieśni i Tańca „Kyczera“ u. a, Legnica 2007, ISBN 978-83-916673-1-6, S. 41–55.
  • Bohdan Halczak: Publicystyka narodowo-demokratyczna. Wobec problemów narodowościowych i etnicznych II Rzeczypospolitej (= Historia. Bd. 2). Wydawnictwo Wyższa Szkoła Pedagogiczna im. Tadeusza Kotarbińskiego w Zielonej Górze, Zielona Góra 2000, ISBN 83-7268-029-9.
  • Christhardt Henschel: Zwischen den Nationen. Zur Entwicklung des nationalen Selbstverständnisses der lemkischen Minderheit in Polen. In: Cassubia Slavica. Bd. 2, 2004, ISSN 1610-188X, S. 37–46.
Commons: Lemkos – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Lemken – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. In der Slowakei bekannten sich 2001 219.831 Personen zur Griechisch-Katholischen (1991 ca. 179.000) und 50.363 Personen (1991: ca. 34.000) zur Orthodoxen Kirche. In: Südosteuropa im 20. Jahrhundert: Ethnostrukturen, Identitäten, Konflikte. Flavius Solomon, Alexander Rubel, Alexandru Zub 2004. S. 251.
  2. Die Lemken gehören entweder zur katholischen Kirche nach byzantinisch-ukrainischem Ritus oder zur Polnischen Autokephalen Orthodoxen Kirche. In: Die unbekannten Nachbarn: Minderheiten in Osteuropa von Ruth Leiserowitz, 2010, S. 42
  3. Erst in der Zwischenkriegszeit wurde die Apostolische Administration der Lemkowszczyzna (AAŁ), welche die lokale unierte Kirche von der ukrainischen Hierarchie unabhängig machte, gegründet. (Vgl. Kapitel „6.5.5. AAŁ „Apostolska Administracja Łemkowszczyzna“ In: Das vergessene Volk der Lemken. Eine ethnische Minderheit auf der Suche nach ihrer Identität“ von Magdalena Palka, Wien 2012)
  4. "Dlatego też w XV w. zapoczątkowano w Karpatach masową zmianę lokacji wsi z prawa ruskiego na wołoskie, które z punktu widzenia właścicieli, mogło najlepiej normować powinności mieszkańca wsi" In: Jerzy Czajkowski. Łemkowie w historii i kulturze Karpat. T. 1, S. 385
  5. "Rus' (9.-13. Jahrhundert): Ursprünglich war alltes russische Recht lokales *Gewohnheitsrecht - in dem Maße jedoch, wie sich die Herrschaft der Fürstentümer festigte, wurden niedergeschriebene Verhaltensnormen der Fürsten untereinander und mit ihrer Außenwelt immer notwendiger. Sie schlugen sich in einer wachsenden Zahl von Schriftstücken nieder, die sowohl die lokalen Gewohnheitsrechte wie auch die die lokale Sphäre überschreitenden Vereinbarungen dokumentierten. Das erste bekannte Rechtszeugnis dieser Art, die Russkaja Pravda - das "Russische Recht" -, entstand in Kiev in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts. Ihre erhaltenen Redaktionen decken rund 200 Jahre Rechtsentwicklung (ca. 1015-1215) ab. Die Russkaja Pravda regelte das gesamte Rechtswesen der 'Kiever Rus', mit Ausnahme des Kirchenrechts (Religionen, Kirchen). Ihre Normen stammten hauptsächlich aus dem russischen Gewohnheitsrecht, daneben enthielten sie aber auch germanische und byzantinische Rechtsvorstellungen." IN: Recht, Justiz - Institut für Osteuropäische Geschichte Recht, Justiz
  6. 5. Dezember 1918 wird die von Jaroslav Kacmarcyk geführte Republik der Lemko-Russinen in Florynce ausgerufen; sie besteht bis März 1920. In: Das Russinische: Kulturhistorische Und Soziolinguistische Aspekte voon Marc Stegherr, 2003 S. 472
  7. Paul Robert Magocsi, Ivan Pop (Hrsg.): Encyclopedia of Rusyn history and culture. University of Toronto Press, Toronto u. a. 2002, ISBN 0-8020-3566-3, S. vii und 290.
  8. Dieter Bringen, Krzysztof Ruchniewicz (Hrsg.): Länderbericht Polen. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2009, ISBN 978-3-593-38991-2, S. 362 und 369
  9. Der Standard, vom 20. Oktober 2012, S. A 3.