verschiedene: Die Gartenlaube (1861) | |
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Vor dem Weihnachtsbaum.
Die Tanne hat im Wald gelacht,
Ihr träumte von der Weihnacht Kerzen.
Nun strahlet sie in ihrer Pracht
Am höchsten Fest der Kinderherzen!
Kein Baum in allen Erdenreichen,
Selbst nicht der Ceder heil’ges Holz,
Kann sich an Ehren ihr vergleichen.
Sie weiht zum Tempel jedes Haus,
Und schmückt den Traum des Lebens aus
Vom ersten Schritte aus dem Dunkeln.
Siehst Du die Hütte? Schier erdrückt
Der Schnee das Strohdach. Doch darunter
Von ihres Glaubens schönstem Wunder.
Die Hand erwarb mit schwerer Hast
Für’s Tannenbäumlein die paar Lichte,
Nun ist vergessen Harm und Last
Wie ehr’ ich Dich, Du armer Mann!
Dir lacht das Herz. Und wie bescheiden
Dein Baum auch strahlt: die Hütte kann
Heut nimmer der Palast beneiden.
Ward heut der Wächterruf vernommen,
Die Kinderaugen sind erwacht,
Das Christkindlein ist ja gekommen.
Wie prangt am Baum von Gaben schwer
Die Herzen lachen drum nicht mehr,
Als vor des armen Mannes Tanne.
Lauscht nicht ein Aermrer noch am Thor?
O laßt ihn nicht im Dunkel beben,
Und doppelt wird sie euch erheben.
Was sie im Haupt erwägen mag,
Die junge Mutter vor dem Baume?
Ob der Erfüllung Wonnetag
Heil ihr, daß ihren höchsten Ruhm
Sie heute in der Pflicht empfinde,
Zu wahren als ein Heiligthum
Ein deutsches Herz im deutschen Kinde.
Vom Tannenbaum mit seinen Kerzen,
So bleibt der deutschen Weihnacht Fest
Das heiligste der deutschen Herzen.
Ein Stück preußischer Schande und preußischer Ehre.
Drei Jahre später.
Fast ganz Deutschland seufzte unter dem Drucke des französischen Joches. Am schwersten litten die unglücklichen Unterthanen des neugebildeten Königreichs Westphalen, dessen schamloser Tyrann – Jerôme Bonaparte – ebenso sehr gehaßt wie verachtet wurde. Immer mächtiger wuchs der Groll gegen ihn und gegen die ganze französische Herrschaft an. Jeder Deutsche ballte im Stillen die Faust. Das Joch war unerträglich geworden, hier und dort wurde daran gerüttelt, um es abzuschütteln, das Verlangen nach Freiheit trat immer drängender hervor. Durch das ganze Volk hin wehte dies Verlangen, und einzelne Männer setzten Freiheit und Leben daran, um die Freiheit zu erringen, um das Volk aufzurütteln, die verhaßten Fremdlinge zum Lande hinaus zu jagen.
Jene Unternehmungen sind alle mißglückt, sie bleiben indeß trotzdem gleich ehrenvoll und gleich bedeutsam für die folgenden Jahre, wo der Tag der Freiheit endlich erschien. Mehrere von
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 828. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_828.jpg&oldid=- (Version vom 24.12.2022)